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Kino, wohin des Weges?

■ Berlin soll mit Multiplex-Kinos regelrecht überschüttet werden, der Zugzwang zum „Aufrüsten“ greift um sich / Off-Kinos reagieren gelassen: Qualität statt Kommerz

Wenn sie vom Berliner Kinomarkt sprechen, geraten Vertreter der großen Filmtheater-Ketten ins Schwärmen. „Berlin ist mit Kinos völlig unterversorgt und spielt daher im Bereich der Neugründungen von Multiplex-Kinos eine überaus wichtige Rolle. Den Zug wird keiner mehr aufhalten können“, freut sich Thomas Schulz, Pressesprecher der Flebbe-Filmtheater-Gruppe in Hamburg. Die Multiplex-Kinos mit ihren riesigen Zuschauerkapazitäten und angegliederten Cafés und Kneipen gelten in der Branche als eine absolute Goldgrube. Allein in den nächsten zwei Jahren wird es voraussichtlich drei Neueröffnungen in der Hauptstadt geben.

Die Flebbe-Gruppe plant am Potsdamer Platz ein Mammutkino mit zwölf Sälen und insgesamt 3.500 Plätzen. Sollten die laufenden Verhandlungen mit Sony erfolgreich ausgehen, wird sich die Größe des gigantischen Komplexes sogar fast verdoppeln. Auch die Ufa-Theater AG will ihr Gelände an der Karl-Marx-Allee ausbauen. Zehn Leinwände mit 3.400 Plätzen sowie ein Biergarten mit Terrasse sind geplant. Und im Bezirk Marzahn, wo es bisher erst ein einziges Filmtheater gibt, will der US-Konzern „United Cinemas International“ (UCI) ein Mega-Kino mit neun Sälen luxuriösester Ausstattung bauen.

Daß der Markt angesichts solcher Großprojekte bald gesättigt sein könnte, befürchtet UCI-Geschäftsführer Raymond Smith nicht. Er glaubt, daß in Berlin für mindestens vier bis fünf Multiplexe Platz sei. Und tatsächlich: Untersuchungen der Berliner Filmförderungsanstalt (FFA) haben ergeben, daß die Multiplexe in Essen und Bochum den Kinomarkt eher angekurbelt haben. Bisher liegt Berlin mit jährlich 2,8 verkauften Kinokarten pro Einwohner weit unter dem Schnitt anderer deutscher Großstädte. Glaubt man den Multiplex-Betreibern, ist der Markt jedoch ausbaufähig. „Unsere Strategie ist es, Leute zu aktivieren, die bisher überhaupt nicht ins Kino gingen“, so Multiplex-Fan Smith.

Rolf Bähr, Vorstandsmitglied der FFA, räumt allerdings ein, daß Häuser, deren Betreiber nicht bereit sind, in die Modernisierung zu investieren, durchaus in Existenzgefahr geraten könnten. Und so haben sich viele Betreiber dem Trend zu großen Luxuskinos angepaßt. So wird der Central Film Verleih im April ein Kino mit 1.000 Sitzplätzen „vom feinsten“ im alten Titania-Palast an der Schloßstraße in Steglitz eröffnen. Das Marmorhaus und die Filmbühne Wien, die beide der Ufa gehören, sollen bis Ende 1997 für 6 Millionen Mark komplett umstrukturiert und saniert werden. Die Sitzreihen im Marmorhaus sollen verbreitert werden, die Kinos I und II werden zu einem großen Saal zusammengelegt. „Wir wollen auch die Marmor- und Stuckelemente aufwerten, um ein richtiges Boulevardtheater im Stil der zwanziger Jahre entstehen zu lassen“, so Ufa-Sprecherin Tanja Güsz.

In der Off-Kino-Szene sieht man den Luxushäusern relativ gelassen entgegen. Von den rund 140 Sälen in Berlin sind etwa 25-30 kleinere Programmkinos, die sich durch ein anspruchsvolleres Angebot vom Mainstream absetzen. Manfred Bittmann, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Berliner Filmtheater e.V glaubt, daß es für diese weiterhin Marktnischen geben wird. „Da sich die Großen alle auf die Kassenschlager stürzen, werden sich die Off-Betreiber weiter auf Filmkunst konzentrieren können. Der Bedarf ist in einer großen Unistadt wie Berlin auf jeden Fall da.“ Die Chance der Programmkinos sei es, genau wie die Multiplexe Kino zum „Ereignis“ zu machen. Nur eben auf ihre Art.

Wie es beispielsweise das Acud im Prenzlauer Berg praktiziert. Zu dem Kunstverein in der Veteranenstraße gehören neben einem kleinen Kinosaal mit 50 Plätzen auch eine Galerie, ein Theater und ein Café. „Das Konzept des Acud ist es, Filme im Zusammenhang darzustellen“, sagt Leiter Hermann Greuel. Das nächste große Projekt ist zum fünfzigsten Jahrestag der Befreiung am 8. Mai geplant. Neben einer Reihe von Antikriegsfilmen soll es Diskussionsveranstaltungen zum Thema geben. Angst vor den neuen Großkinos hat Hermann Greuel jedenfalls nicht. „Die sprechen doch ein ganz anderes Publikum an.“ Tanja Hamilton

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