: Günter Wallraff boykottiert die Kraniche
■ Salman-Rushdie-Komitee startet Unterschriftenaktion: „Wir fliegen nicht mehr Lufthansa“ / Schriftsteller Wallraff: „Die einzige Sprache, die die noch verstehen“
Köln (taz) – Heute jährt sich zum sechsten Mal der Mordaufruf des iranischen Revolutionsführers Ayatollah Chomeini gegen den britischen Schriftsteller Salman Rushdie. Weil die deutsche Lufthansa sich seit der Verhängung der Fatwa weigert, den mit Tod bedrohten Schriftsteller zu befördern, rufen jetzt Hunderte von Lufthansa-Kunden zum Boykott der Fluggesellschaft auf.
Der Kölner Schriftsteller Günter Wallraff präsentierte gestern den inzwischen von über 200 Personen unterzeichneten Boykott- Aufruf, der heute auch als Anzeige in der taz und der FAZ erscheint. Veröffentlichungen in ausländischen Medien, zum Beispiel in Schweden, folgen in den nächsten Tagen. In dem Aufruf verpflichten sich die UnterzeichnerInnen, künftig nicht mehr mit Lufthansa zu fliegen „und auch andere von dieser Haltung [zu] überzeugen“.
Während die Air France sich offen zur Beförderung von Rushdie „in Anerkennung der Menschenrechte“ bekennt, beharrt die Lufthansa auf ihrem skandalösen Kurs. Sämtliche Gesprächsversuche des deutschen Rushdie-Komitees blieben ergebnislos. Wallraff: „Wir haben mit Engelszungen geredet und alles versucht, doch leider ohne jeden Erfolg.“
Allein durch den Boykott der bisherigen UnterstützerInnen dürfte die Lufthansa pro Jahr etwa zwei Millionen Mark verlieren. Das deutsche Rushdie-Komitee hofft auf 20.000 weitere Unterschriften in den nächsten Monaten. Ökonomischer Druck sei bei der Lufthansa offenbar „die einzige Sprache, die die noch verstehen“, sagte Wallraff gestern.
Durch die Beförderungsverweigerung setzt die Lufthansa nach den Worten des jüdischen Schriftstellers und Emigranten Peter Finkelgruen ein „fatales Signal“. Die „Aussonderung von Personen, die als nicht schutzwürdig angesehen werden“, knüpfe an eine unselige Tradition an und sei gerade für eine deutsche Fluglinie „untragbar“. Sollte die Lufthansa, deren Aufsichtsrat auch Politiker wie Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) angehören, sich nicht bewegen, erwägt das Rushdie-Komitee eine Feststellungsklage, um die Fluglinie auf neuen Kurs zu zwingen.
Die Forderung nach einem Kurswechsel der europäischen Politik gegenüber dem Iran kam gestern von dem Verfolgten selbst. Der vor allem vom Bonner Außenminister Klaus Kinkel propagierte „kritische Dialog“ mit dem Terrorregime in Teheran hat nach den Worten von Rushdie keinerlei positive Ergebnisse gebracht. Dieser Dialog habe sich als „Geschwätz“ entpuppt, „in dem die eine Seite redet und die andere lügt“. Walter Jakobs
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