: Klein-Vatikan Katholischwerden!
■ Halleluja! Die Bremer St. Johannis-Schule feiert ihren 175. „Da herrscht noch Ordnung!“ / Enorm: Lehrer, die unter 30 sind!
„Klein-Vatikan“ nennt man in Bremen ein Stückchen Schnoor um die katholische Probsteikirche St. Johann herum. Neben der Kirche sind dort allerlei Schulgebäude und Gemeinderäume konzentriert. Erstaunlich zentral: Nach der Reformation besaßen die Katholiken in Bremen bis 1807 kein Bürgerrecht. Zwölf Jahre danach, 1819, wurde hier die Johannis-Schule gegründet, die heute - großzügig gerechnet - 175-jähriges Jubiläum feiern kann. Gestern stiegen aus diesem Anlaß an allen sechs katholischen Schulstandorten Bremens katholische Luftballons hoch, versehen mit den Namen der Schüler, die einen Rundflug oder ein Spiel gewinnen wollen.
Katholisch sein in Bremen – das war nie ganz normal und alltäglich. Bremen war für die „Schwarzen“ lange Feindesland, in den 50er noch tiefste Diaspora, und Bernhard Dittert, stellvertretender Leiter der Sek.I der Johannis-Schule, erinnert sich sehr gut an den Bremer Spruch: „Das ist ja zum Katholischwerden!“ Katholisch hieß oft auch „fremd“, weil schon im letzten Jahrhundert Aus– und Umsiedler aus dem Osten viele Katholiken waren.
So diasporisch scheint das heute nicht mehr zu sein. Die Schulkinder, die in Klein-Vatikan mit Steinen ihre in Bäumen hängengebliebenen Luftballons zu befreien suchen, haben jedenfalls kein Problem mit ihrem Bekenntnis. Eher schon damit, zu erklären, woran man einen Katholiken erkennt. Ruzika (9), vierte Klasse, aus Kroatien, fällt schließlich ein: „Ich gehe jeden Sonntag zur Kirche.“ Wohingegen Matthäus (12) „ein bis zwei Mal im Jahr“ zusammenkratzt. Lars immerhin weist auf sein Taek Wondo und Pfadfindertum hin; Björn (Meßdiener) auf „eine gewisse Christine in der 4b, die ist auch Meßdiener“. Und alle haben ein Kreuz in der Klasse hängen.
Das Geburtstagskind, die Johannis-Schule, besteht aus zwei Teilen: der Grundschule am Tiefer und der Sek.I an der Dechanatsstraße. Im Flur der Sek.I wurde zur Feier des Tages ein bronzener Hl. Johannis von der Hand des Meisters Hubert Hartmann eingeweiht. Mit Buchsbaumwedel und geweihtem Osterwasser, verspritzt von einem Priester im Ornat. Schüler, Lehrer und Presseleute beteten das Vater-Unser und sangen „Sonne der Gerechtigkeit“.
St. Johannis ist die älteste Privatschule Bremens. Die Lehrer sind zu 50 Prozent „Kirchenbeamte“; nicht alle katholisch, aber immer „kirchlich gebunden“. 60 Prozent des 10-Milo.-Etats der Bremer katholischen Schulen trägt der Steuerzahler, den Rest der Kirchensteuerzahler. Gut 1.500 Bremer (und einige Handvoll Niedersachsen) besuchen katholische Schulen. Die Grundschulen verzeichnen geradezu einen Boom. Schulvize Dittert mutmaßt über die Vorstellungen der Eltern: „Da herrscht noch Ordnung, die lernen noch was, da fällt nichts aus.“ Letzteres jedenfalls stimmt: Obwohl auch hier gespart wird, wird nicht an den Stunden gespart. Und – ganz trendwidrig - katholische Lehrerkollegien sind jung. Es gibt tatsächlich Kollegen unter dreißig! Zum Katholischwerden!Burkhard Straßmannnn
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