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■ Press-SchlagDer Narr des Kaisers ist erledigt

Kamera bitte: Vollzoom auf das Gesicht des Fußballehrers Otto Rehhagel, auf jenes bemerkenswerte Dauergrinsen eines Mannes, der vor lauter Stolz zu platzen droht. Dem jegliche Selbstdisziplin und Beherrschung abhanden gekommen sind, seit ihn in der Provinz jenes „Angebot einer Weltfirma“ erreichte.

Zählen wir die Verdienste auf: Zwei Meisterschaften, zwei Pokalsiege und ein Europapokalsieg! Woher wir das auswendig wissen? Otto selbst hat es am Wochenende in alle verfügbaren Kameras geprustet. „Ich habe ja“, so hat er leutselig dem ZDF anvertraut, „diesen Verein aus der zweiten Liga in die europäische Spitze geführt!“ Beständig. „Wir sind ja,“ teilt er in Sat.1 mit, „seit zwölf, dreizehn Jahren im Europapokal vertreten.“

Warum er das immer wieder erzählt? Weil ihn tief drinnen die Sorge quält, man könnte das alles außerhalb Bremens nicht richtig mitbekommen haben. Wie folgerichtig den Verein, so plagt seinen prägenden Protagonisten ein besorgniserregender Minderwertigkeitskomplex. Endlich, das hat ihn nun vom verhärmten Wortklauber zum frohgemuten Plapperer mutieren lassen, anerkennt die richtige Welt Otto.

Da sind also ganz oben der Kalle, der Uli, gar der Franz! Und mittendrin der gelernte Schienbeinklopfer. Empor ins Reich der Edelmenschen! „Nur Narren dienen dem Kaiser“, hat man ihn im Weserstadion gewarnt. Falsch: Was hat denn ein Kaiser heutzutage zu melden? „Wir leben“, sagt Otto strahlend, „in einer Demokratie.“ Was das heißt? Haha: „Ich treffe die Entscheidungen.“ Und was, falls das, wenn schon nicht Rehhagel, so irgendeinen noch interessieren sollte, wird aus der Bremer Ottokratie? „Der Trainer, der nach mir kommt“, legt Rehhagel fest, „wird ein wunderbares Arbeiten haben.“ Warum? „Ich habe diesen Verein aus der zweiten Liga...“ Für ihn, den Anstreicher, der verbissen auch als Karikatur eines Bildungsbürgers dilettiert, soll München („viele Theater“) gar zur kulturellen Herausforderung werden.

Nur eines stimmt uns unruhig: Es postuliert dieser Tage, wohl damit Otto es auch lese, das Feuilleton (!) der Vereinspostille Süddeutsche Zeitung, der FC Bayern, jener „Verein der altinternationalen Besserwisser“ sei eigentlich, wie die Bundesliga selbst, nicht mehr als ein „verblaßter Mythos“. Dies ist nun nicht allein veritabler Kulturpessimismus, sondern leider stimmig. Womit sich die ganze Sache als schreckliches Mißverständnis enttarnt: Während nämlich der Klub verzweifelt einen neuen Anfang sucht, wähnt sich Otto am Ziel.

„Ich habe alles getan“, hat er im Sport-Studio wissen lassen. Das wird zwangsläufig meinen müssen: Vom Mann, der sich künftig nur noch kaiserlich huldigen lassen will, sind nicht mehr als Narreteien zu erhoffen. Rehhagel ist erledigt. Peter Unfried

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