: Und am Ende blühen gelbe Blumen
■ Umerziehungslager China: „Hongfen“ von Li Shaohong im Wettbewerb
Ich habe meine Kleider nicht eingepackt“, sagt Xiao'e, bevor sie auf das Bott steigen muß, das sie aus dem Bordell ins Umerziehungslager bringen wird. Der chinesische Bürgerkrieg ist beendet, Maos Porträt hängt an der Wand, anstatt Lippenstift gibt es nun kollektives Absingen von Propagandaliedern. Qiuyi, der die Flucht gelungen war, schickt ihrer Freundin ein Paket mit Seife, Schmuck und Süßigkeiten.
Weggestoßen von der eigenen Familie und verlassen von Lao Pu, dem Mann, den sie liebt, schließlich sogar aus dem Kloster fortgejagt, in dem sie Unterschlupf gefunden hatte, durchläuft aber auch Qiuyi ihre ganz persönliche Umerziehung. Exemplarisch erleben die beiden Frauen ihre Wandlung durch die „neue Gesellschaft“, ob nun staatlich verordnet und gesteuert oder vom Schicksal dazu gezwungen. Die beiden Lebensläufe werden vom Auf und Ab ihrer Freundschaft und ihren Beziehungen zu dem selben Mann zusammen gehalten. Wahrscheinlich malt „Hongfen“ die Zustände sehr viel freundlicher, als sie tatsächlich waren: Die Beamten, die die Enteignungen durchführen, sind überfreundlich, die Enteigneten einsichtig. Lao Pu begrüßt Xiao'e mit „Du bist jetzt also Arbeiterin geworden — großartig“. Und Qiuyi sagt zu einer ehemaligen Kollegin: „Wäre ich nur mit euch [ins Lager] gegangen, dann ginge es mir jetzt nicht so schlecht.“ Am Ende der „Rehabilitierung“ hüpfen die umerzogenen Prostituierten durch die einzigen grünen Wiesen des Films und stecken sich gelbe Blumen ins Haar.
Die Bilder selbst sind da ehrlicher. China ist großstädtisch und trotzdem einsam, dunkel und regnerisch. Der Kamerablick fällt fast ausschließlich durch Fenster und Türen auf die Akteure. Ein altes Stilmittel, das schon in John Fords „The Searchers“, Fassbinders „Effi Briest“ oder Coppolas „Der Pate“ die Selbstentfremdung der Protagonisten anzeigen sollte.
Diesen sich festsetzenden Eindruck zerstört auch nicht mehr die verlogene, letzte Wendung des Films: Xiao'e übergibt der inzwischen selbstständigen Qiuyi ihren mit Lao Pu gezeugten Sohn. Die gibt dem Kind einen neuen Namen: „Neues China“. Thomas Winkler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen