piwik no script img

Der OB und die vier Schweine

■ In Frankfurt könnte Rot-Grün an SPD-internen Querelen scheitern

Das fuchst: 3,4 Prozent hat die SPD in Fankfurt verloren. So schlecht ging es ihr hier bei Landtagswahlen seit 1946 nicht mehr. In einigen ehemals sicheren SPD- Wahlkreisen haben gar die „Republikaner“ hart die Fünfprozenthürde gestreift und sich gegenüber der Landtagswahl 1991 sogar verbessert, nachdem sie 1993 ins Stadtparlament eingezogen waren. Dem Fraktionsvorsitzenden der SPD in Hessen, Armin Clauss, ist noch gestern morgen die Verbitterung über nur 30,4 Prozent in Frankfurt anzumerken. Er schiebt die Niederlage seiner Partei auf die Yuppies: „Wenn die meinen, sie können weiter gut und schick da leben, ohne zu merken, daß sie dafür auch was abgeben müssen“, dann seien sie ignorant. „Wer kümmert sich denn um die vier Millionen Arbeitslosen? Doch nur die SPD!“ Es wird ihr nicht gedankt. „Frankfurt immer grüner“, titelt eine Boulevardzeitung am Morgen nach der Wahl.

Andreas von Schoeler in der zweiten Reihe

Da spiegelt das Wahlergebnis das öffentliche Erscheinungsbild der Frankfurter Koalition. In den letzten zwei Jahren war manchmal geradezu der Eindruck entstanden, die Grünen regierten allein. Aufmerksamkeit über die Stadtgrenzen hinaus zog vor allem der Doppeldezernent Tom Koenigs auf sich, der städtische Immobilien veräußerte, Abgaben erhöhte, die Verwaltung abspeckte. Sein Sparprogramm hat seine Partei ganz offensichtlich keine Stimmen gekostet. Offensive Drogen- und befriedende Ausländerpolitik schafften der Stadt auf grüner Habenseite Schlagzeilen. Da wirkte Oberbürgermeister Andreas von Schoeler (SPD) oft wie in der zweiten Reihe stehend.

Die Nagelprobe für die rot- grüne Koalition steht in Frankfurt noch bevor. Am 13. März wird Schoeler wiederum versuchen müssen, den Magistrat zu besetzen. Beim letzten Mal hatten ihm vier Abgeordnete die Gefolgschaft verweigert, die Insider in seinen eigenen Reihen vermuten. Sie ließen den Grünen Lutz Sikorski als Umweltdezernenten durchfallen – mit dem Erfolg, daß der publikumswirksame Tom Koenigs das Amt mitverwaltet.

„Vier Schweine“ nannte Schoeler die Abweichler im Zorn. Er hatte, ebenso wie sein zurückgetretener Vorgänger Volker Hauff, die internen Intrigen, Machtkämpfe und Pöstchenjägereien der Frankfurter SPD unterschätzt, die sich in immer neuen, beinharten Flügelkämpfen bis auf die blankliegenden Nerven zerschlissen hatte. Und bis zum Kommunalwahljahr 1997 wird sich die Atmosphäre kaum verbessern. Schon am Wahlabend konnte sich der SPD-Fraktionschef im Römer, Heinz Dürr, einen Seitenhieb gegen die Grünen nicht verkneifen und machte „die Sparpolitik“ für das Wahlergebnis am Main verantwortlich. Ein anderer Lokalmatador stichelte direkt gegen die eigenen Parteigenossen wegen ihrer „grauen Politik ohne Visionen“. Währenddessen vergnügten sich einige CDUler damit, einen rot-grünen Koalitionskrach zu prophezeien.

Ihre Spitzenkandidatin Petra Roth war im Kreis ihrer Familie in den Römer gekommen und strahlte neben den entweder aufgeregten oder bis zu den ersten sicheren Hochrechnungen ganz abgetauchten Sozialdemokraten kühle Ruhe aus. Zwar konstatierte auch sie „Enttäuschung“, nannte Hessen, und besonders Frankfurt, „traditionell ein schwieriges Pflaster“ – auch ihre Partei büßte in Frankfurt 3,5 Prozent ein. Insgesamt aber nahm sie das Ergebnis ganz tough und gelassen hin. Denn aus einem rot-grünen Krach in Frankfurt würde sie als lachende Dritte hervorgehen.

Kein Wunder, daß die Grünen am Sonntag abend zeitweise mehr um das Ergebnis SPD bangten als um ihr eigenes. Deren Verluste, so Lutz Sikorski streng, seien kein Grund zum Feiern.

Einzig die FDP freute sich im Presseklub auf der anderen Seite des Rathausplatzes über ihr Ergebnis von 7,8 Prozent und hoffte für 1997 auf einen Wiedereinzug in den Römer. Sie nannte die Leihstimmen der CDU feinsinnig „strategische Stimmen“. Heide Platen, Frankfurt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen