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„Klatschspalte muß sein“

■ Nach fünf Jahren weiß die Prinz-Redaktion, warum Parties zur Kultur gehören und für die MTV-Generation in Tabellen bewertet werden müssen

Claus Spitzer-Ewersmann, 36, leitet seit Sommer 1991 die Bremer Prinz-Redaktion, eine von zehn in Deutschland. .Rund 14.500 Exemplare (Gesamtauflage 210.000) der Lokalausgabe werden jeden Monat verkauft. Im Februar wurde die Illustrierte fünf Jahre alt.

taz: Wieviele Prinz-Ausgaben gibt es, in denen Diskobetreiber Frank Koopmann nicht in der Klatschspalte auftaucht?

Claus Spitzer-Ewersmann: In letzter Zeit wieder ein paar mehr. Das ist ein Problem, das wir in einer Stadt wie Bremen einfach haben. Daß das Personal an Leuten, über die man schreibt, sich irgendwann erschöpft.

Es fällt aber auf, daß sich sein Erscheinen in der Zeitung häuft.

Ich finde das auch unangenehm, wenn es einfach zu oft ist. Wenn er was Tolles macht, ist das ein Thema für's Heft, oder wenn er was macht, das total daneben liegt, genauso.

Wie sinnvoll ist denn so eine Klatschkolumne hier in Bremen überhaupt?

Es ist schwierig. Natürlich ist Bremen nicht –ne Glamour-Stadt wie Hamburg. Das ist ganz klar. Wenn du dir den Hamburger Prinz mal anguckst und dessen Klatschspalte mit unserer vergleichst, stellst du einen gravierenden Unterschied fest. Wir haben versucht, in letzter Zeit uns darauf zu konzentrieren, bestimmte Themen zu nehmen. Nicht: Die Party war so und so, und der und der war da, sondern zu sagen, wer die kompetentesten Leute hinter dem DJ–Pult sind. Das ist ein anderes Prinzip als bei den anderen Prinzen.

Aber die Klatschspalte muß sein.

Ich finde ja. Das ist das absolute Gesprächsthema, wenn wir das neue Heft raushaben. Es ist ein Thema, das die Leute reizt. Die wollen natürlich wissen, was machen die paar wichtigen Figuren, die wir in Bremen haben. Was stellen die auf die Beine, mit was plagen die sich rum.

Welche Zielgruppe habt ihr?

Prinz ist ein Unterhaltungsmedium. Wir haben die Leute als Zielgruppe, die kulturell interessiert sind, die ausgehen, die sich im Großstadtdschungel zurechtfinden wollen. Die am öffentlichen Leben, sprich am Theaterleben, am Konzertleben, am Partyleben teilhaben wollen. Unsere Leser wollen an die Hand genommen werden und durch diese Meldungen geführt werden.

Kultur kommt eigentlich sehr kurz bei euch.

Wenn du Kultur nur als Kunstbereich auffaßt. Ich fasse so ein Partyleben schon mit drunter. Und wir haben jeden Monat drei Kulturseiten im Heft drin, die von Kultur bis Theater den Bereich ganz gut abdecken.

Warum preßt ihr die Kultur in Tabellen?

Unsere Leser sind mit MTV aufgewachsen. Die sind so eine Häppchen-Herangehensweise gewohnt. Wir machen das in der Form bei Konzerten, bei Party und bei Gastro, da halte ich das auch für sinnvoll. Der Vorteil davon ist, daß du eine Sortierung hast. Wir erinnern uns doch alle an die elendlangen Theaterbesprechungen und am Schluß merkte man dann doch eigentlich nicht, was uns der Autor sagen wollte. Den Wildwuchs kann man mit den Kästchen natürlich einschränken. Bei Theater und Kunst ist es allerdings nicht so klug.

Hat das für dich noch was mit Journalismus zu tun?

Hat eine Gastronomiebesprechung überhaupt was mit Journalismus zu tun?

Kann ja, wenn ich da an Siebeck in der Zeit denke...

Das ist was anderes. Das ist sicherlich nicht der Journalismus, wie er in anderen Magazinen oder in Tageszeitungen gepflegt wird. Aber wenn man an jüngere Leser ran will, muß man auch deren Aufnahmeverhalten entsprechend berücksichtigen.

Im ersten Prinz-Jahr nahm die Zeitung noch an politischen und kulturellen Debatten in Bremen teil. Das ist lange passé.

Es hat irgendwann eine Änderung gegeben in der Heft-Linie, auch optisch. Die alten Leser, die die Stadt kennen, die wollen wir in der Form nicht mehr. Wenn wir die haben, dann kriegen wir das jüngere Ausgehvolk nicht mehr.

Und ihr wolltet die Jungen.

Wir haben gesagt, wir gehen in die Richtung.

Welchen Einfluß habt ihr auf das, was im Hauptteil passiert, z. B. auch auf die Titelgeschichte?

Es gibt eine grobe Heftlinie, an der sich das orientiert. Es gibt in Hamburg eine Zentralredaktion, die brutzelt den 48-Seiten Teil zusammen.

Wieso habt ihr soviele Sex-Geschichten?

Es ist ein Thema in dieser Szene.

S/M wie Bi wie Cyber-Sex?

Es ist erstaunlich, aber es ist wirklich ein Thema. Vor einem guten Jahr war in einer Diskothek hier Bremens erste S/M-Party. Veranstaltet von einer Hamburger Frau. Die war völlig erschlagen davon, wieviele Leute da hin gekommen sind. Es gibt dieses Thema, es ist bei den Leuten wirklich im Gespräch. Das ist nicht an den Haaren herbeigezogen.

Boulevardzeitungen sind davon abgegangen, zuviel nacktes Fleisch ins Blatt zu nehmen.

Ich glaube nicht, daß wir da soviel reinnehmen.

Fast jeden Monat außen drauf.

Wir haben pro Monat ein Thema aus dem Bereich, was auch entsprechend bebildert wird und was aus verkaufsstrategischen Gründen auch auf dem Titel ist. Da erfinden wir die Zeitschriftenwelt nicht neu.

Ich sage ja gerade, daß Boulevardzeitungen davon ablassen ...

Das mag sein, daß sich das in die Richtung entwickelt. Es gibt seit vier Monaten einen Prinz in Wien, der eigene, ganz andere Titel macht. Die sind auf eine andere Art spektakulär, die machen mehr mit knalligen Farben. Solche Titel fänd ich bei uns auch schön, weiß aber nicht, ob die funktionieren würden. Von den Nackt-Titeln wissen wir, daß sie funktionieren.

Du gibst dem Prinz-Konzept noch ein paar Jahre.

Ich finde das Prinz-Konzept sehr, sehr gut, vor allem die Verknüpfung von Regionalem und Überregionalem. Früher hatten wir immer das Problem, an große Geschichten aus dem Musik- oder Filmbereich zu kommen. Kamen wir nicht. Ob du einen neuen Film in München oder in Hamburg siehst, bleibt letztendlich egal. Daß diese Besprechung zentral gemacht wird, ist durchaus sinnvoll. Da gibt es ganz andere Möglichkeiten, als die nur lokal agierenden Blätter haben.

Fragen: Ulrike Fokken

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