: Knapp dem Tod entronnen
■ Zwei Brandanschläge auf kleine türkische Reisebüros / Menschen konnten sich retten
Der Terror gegen türkische Reisebüros geht weiter. Am Samstag abend flogen Molotowcocktails in zwei kleine türkische Reisebüros in Huckelriede und in der Neustadt. Während sich der Schaden im Neustädter Büro wegen des Blitzeinsatzes der Feuerwehr in Grenzen hielt, brannte das Huckelrieder Büro völlig aus. In beiden Fällen konnte durch Glück und Geschick der Feuerwehr verhindert werden, was die Täter billigend in Kauf genommen hatten: Daß Menschen verbrannt sind. Beide Büros befinden sich im Erdgeschoß von Wohnhäusern. In der Neustadt war in den Obergeschossen niemand zuhause, in Huckelriede konnten sich vier Männer aus dem ersten Stock durch die dichten Qualmwolken ins Freie retten. Die Bremer Anschläge stehen offensichtlich im Zusammenhang mit vier Brandanschlägen in Köln und Berlin. (s.Seite 2) In beiden Städten hatten die Täter Bekennerschreiben hinterlassen: Mit der Aktion solle der kurdische Befreiungskampf unterstützt werden. Im Kölner Schreiben wurde zum Boykott von Türkei-Reisen aufgerufen.
Den Abend wird Hasan Yilmaz nicht so schnell vergessen. Als der Mann gegen 23 Uhr nach Hause kam, war sein kleines Reisebüro an der Straße Huckelriede nur noch ein Trümmerhaufen. Dabei hatten der Mann und seine Mieter noch Glück im Unglück: Die Flammen hatten sich nicht bis in die Wohnungen über dem Ladenlokal gefressen, und die Feuerwehr hatte verhindern können, daß der Brand auf das Nachbargebäude übergreift, wo Yilmaz wohnt.
Gegen halb zehn hatte sich eine Nachbarin ziemlich gewundert. Ihr Hund hatte ein paarmal angeschlagen, immer aus demselben Grund. „Zwei Männer“, erzählt die Frau, „die sind immer wieder von der gegenüberliegenden Straßenseite auf das Reisebüro zugelaufen, und jedesmal, wenn sie gerade da waren, ist ein Auto vorbeigekommen. Dann sind sie wieder umgedreht.“ Als die beiden das viertemal über die Straße gekommen seien, sei sie zu ihrem Mann ins Nachbarzimmer gegangen, er solle doch mal gucken kommen. Aber da war schon alles zu spät. Die Männer waren verschwunden, und aus dem Ladenlokal quollen dicke Rauchschwaden.
Schierer Zufall, daß es an diesem Abend in Huckelriede keine Toten gegeben hat. Schierer Zufall, daß die vier Männer, die im ersten Stock des Hauses wohnten noch nicht zu Bett gegangen waren. Sie konnten sich ziemlich schnell durch den Qualm bis auf die Straße kämpfen. Bald darauf kam dann auch schon die Bremer Feuerwehr, zu spät allerdings, um den Laden zu retten. Geschätzter Schaden: 50.000 Mark.
Ein Teil der Feuerwehrleute hatte einen besonders kurzen Anfahrtsweg. Sie kamen direkt von einer anderen Brandstelle in der Langemarckstraße. Wieder ein türkisches Reisebüro, wieder ein Molotow-Cocktail. Doch großes Glück für den Besitzer: Der Brand hatte sich längst nicht so schnell ausbreiten können, wie bei seinem Huckelrieder Kollegen. Und das lag vor allem an einem rekordverdächtigen Einsatz der Bremer Feuerwehr. 21.29 Uhr kam der Notruf, 21.10 Uhr rückte der Löschzug aus, 21.32 Uhr war er am Brandort, 21.35 Uhr kam die Meldung „Feuer aus“. Trotzdem lag der Schaden bei 10.000 Mark. Und genauso wie in Huckelriede, auch in der Neustadt mußten die Täter damit rechnen, daß sie mit ihrer Aktion Menschen gefährden. Auch über dem Neustädter Laden liegen Wohnungen.
Scharf verurteilt wurden die Anschläge von der Senatorin für Ausländerintegration Helga Trüpel: Ein „schwerer Anschlag auf die Sicherheit türkischer Menschen in Bremen und auf die Zukunft des friedlichen interkulturellen Zusammenlebens in der Stadt“, kommentierte die Grüne. Diese Anschläge schürten die Fremdenfeindlichkeit. Sie wolle am Konzept der Runden Tische mit türkischen und kurdischen Vertretern festhalten. J.G.
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