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Charme-Offensive von Sinn Féin

Nur wenige Stimmen störten die Harmonie auf dem Parteitag des politischen Flügels der IRA / Unionisten bleiben unversöhnlich  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Sinn Féin hat zur „Charme- Offensive“ geblasen: Auf dem Parteitag des politischen Flügels der IRA, der gestern in Dublin zu Ende ging, war immer wieder die Rede davon, daß man Nordirlands Unionisten verstehen müsse. „Bringt eure Hoffnungen und Träume, eure Sorgen und Ängste mit an den Verhandlungstisch, wo wir alle als Gleichberechtigte über die demokratischen Grundlagen entscheiden, damit wir auf dieser Insel in Frieden leben können“, sagte Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams in seiner 60minütigen Rede am Samstag abend. „Wir brauchen keine britischen Minister, um über uns zu herrschen.“

Die Absage der Unionisten kam prompt. Kaum waren die stehenden Ovationen für Adams verhallt, da meldete sich Ian Paisleys Stellvertreter Peter Robinson von der Democratic Unionist Party mit einer Presseerklärung aus Belfast zu Wort. „Adams kann vielleicht die ganze Welt für dumm verkaufen, aber wir Unionisten wissen, daß seine ausgestreckte Hand ein Todesbote ist“, sagte er. „Wir wissen, daß sich Waffen in dieser Hand befinden.“ Der britische Nordirlandminister Patrick Mayhew hieb gestern in dieselbe Kerbe. In einem BBC-Fersehinterview sagte er, daß die IRA ihre Waffen aushändigen müsse, bevor „Sinn Féin als konstitutionelle Partei behandelt werden und an Gesprächen teilnehmen“ könne. Anfang des Jahres schien Mayhew in dieser Frage kompromißbereiter. Der deutlich irritierte Adams sagte gestern mittag, der Minister müsse sich endlich entscheiden, ob die IRA-Waffenübergabe eine Vorbedingung für Gespräche mit Sinn Féin sei.

In den vergangenen vier Jahren hatten die Sinn-Féin-Parteitage in schäbigen Räumlichkeiten am Dubliner Stadtrand und auf dem Land stattgefunden. Am Wochenende durfte man wieder ins historische Mansion House zurückkehren – eine Belohnung für den sechs Monate währenden IRA-Waffenstillstand. Im Mansion House residiert seit 1715 der Dubliner Oberbürgermeister. Als Sinn Féin 1919 bei den Unterhauswahlen 73 der 105 irischen Mandate gewonnen hatte, zogen ihre Abgeordneten nicht nach Westminster, sondern ins Mansion House und riefen die Republik aus. Es kam zum Unabhängigkeitskrieg und der Teilung der Insel.

Adams begrüßte das anglo-irische Diskussionspapier, das am vergangenen Mittwoch veröffentlicht worden war, als „deutliches Eingeständnis, daß die britische Herrschaft in Irland gescheitert“ sei. Er hob vor allem die gesamtirische Dimension des Papiers hervor, betonte aber gleichzeitig, daß man die Unionisten keineswegs in ein vereinigtes Irland hineinzwingen werde. Francie Molloy vom Parteivorstand sagte: „Es ist völlig egal, ob wir über das anglo-irische Papier reden oder über das Papier, das die Unionisten vorgelegt haben – Hauptsache, wir reden.“ Adams deutete an, daß noch in diesem Jahr eine Sinn-Féin-Sonderkonferenz stattfinden werde. Auf Nachfrage sagte Mitchel McLoughlin, der gestern zum neuen Parteivorsitzenden gewählt wurde, daß es bei dieser Konferenz um die Frage gehen werde, wie weit sich Sinn Féin verändern muß, um den Unionisten entgegenzukommen. Es gab aber auch Stimmen, die die Parteitagsharmonie störten. Mary Nelis, die vor einer Woche aus fadenscheinigen Gründen von der nordirischen Polizei festgenommen und am Freitag gegen Kaution freigelassen worden war, nannte Großbritannien als „das rassistischste, imperialistischste und friedensfeindlichste Land der Welt“. Und drei Mitglieder des Dubliner Parteivorstands stellten den Antrag, der Sinn-Féin-Führung wegen ihrer Friedensstrategie nicht das Vertrauen auszusprechen. Einer von ihnen, Sean Mac Bradaigh, sagte zur taz: „Diese Strategie führt nirgendwohin, es ist eine Abkehr von unseren revolutionären Traditionen. Ich bin nicht für den Waffenstillstand, weil die Bedingungen dafür nicht gegeben sind. Er basiert auf falschen Annahmen. Ich bin für einen Waffenstillstand, wenn die Zeit dafür reif ist.“ Sinn-Féin-Vizepräsident Martin McGuinness sagte, daß er zwar „das Recht auf Redefreiheit innerhalb Sinn Féins notfalls mit dem Leben verteidigen“ werde, doch die Meinung der Dubliner Parteiführung sei nicht repräsentativ. „Von einer Spaltung kann überhaupt keine Rede sein.“Kommentar Seite 10

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