piwik no script img

Quittiert euren Dienst!

■ Zunehmender Druck auf Berliner Rot-Kreuz-Präsidenten Hartwig Schlegelberger / Rotes Kreuz in der Krise?

„Zivildienstleistende beim Roten Kreuz, quittiert euren Dienst – euer Chef, der Berliner DRK-Präsident Hartwig Schlegelberger, hätte euch 1945 zum Tode verurteit!“ appelliert der Ex-Zivi Thomas Behrendt an seine ehemaligen Kollegen. „Wütend gemacht“ habe ihn das „verstockte Verhalten“ der Rot-Kreuz-Führung. Das DRK-Präsidium stellte sich „uneingeschränkt“ hinter den einundachtzigjährigen Hartwig Schlegelberger, dem eine Beteiligung an der NS-Unrechtsjustiz vorgeworfen wird.

Im Januar trat bereits der ehemalige Kreisvorsitzende aus Schöneberg, Siegfried Zimmer, aus dem Verband aus. „Ich schäme mich, unter einem Präsidenten Dr. Hartwig Schlegelberger mit dieser NS-Vergangenheit im DRK hingebungsvoll mitgewirkt zu haben“, begründete er seinen Schritt. Letzte Woche rief Zimmer dazu auf, Spenden an den Wohlfahrtsverband zurückzuhalten, bis Schlegelberger sein Amt räume. Tatsächlich sei es zu Austritten gekommen, bestätigte die DRK- Pressestelle.

Inzwischen sprach sich auch der Zehlendorfer Kreisvorstand der SPD dafür aus, den Präsidenten abzusetzen. Solange dies nicht geschehe, sollen dem DRK-Berlin „keinerlei öffentliche Räume für Veranstaltungen etc. zur Verfügung gestellt werden“, fordert der Kreisvorstand einstimmig. „Ihr schadet eurer eigenen Sache mit einem Präsidenten wie Schlegelberger“, sagte der Kreisvorsitzende Reiner Breithaupt an die Adresse des Roten Kreuzes.

Schlegelberger selbst stellte in einer Erklärung gestern fest, daß er sich „vom Nationalsozialismus mit seinem Unrecht und seinen Verbrechen eindeutig distanziert habe“. Entgegenstehende Berichte seien falsch. Zu einem Interview ist Schlegelberger nicht bereit.

Bereits zweimal ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen Rechtsbeugung. 1963 gefährdeten die Vorwürfe Schlegelbergers Berufung zum schleswig-holsteinischen Innenminister. Der ermittelnde Oberstaatsanwalt, Ernst Thamm, sah aber keinen Grund für eine Anklage. Schlegelberger wurde Minister. Thamm hatte während des Krieges als Jurist am Sondergericht in Kiel selber mehrfach die Todesstrafe beantragt.

Vor fünf Jahren ermittelte die Kieler Staatsanwaltschaft erneut. „Unter Zugrundelegung des damals geltenden Rechts“ könne ihm keine Rechtsbeugung vorgeworfen werden. Die Staatsanwaltschaft verzichtete damals allerdings bewußt auf eine „moralisch- ethische Bewertung“. Christoph Dowe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen