piwik no script img

Neuer Regierungschef unter Walesa

Polens neuer Premier Josef Oleksy kommt durch Mißtrauensvotum an sein Amt / Der Präsident zeigt sich jedoch überaus abgeneigt, den Sozialdemokraten regieren zu lassen  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Die polnischen Regierungsparteien haben gestern ihren Ministerpräsidenten Waldemar Pawlak durch ein Mißtrauensvotum gestürzt. Zugleich wählten sie den bisherigen Parlamentspräsidenten Jozef Oleksy formell zum neuen Regierungschef. Es enthielt sich fast die gesamte Opposition. Das Mißtrauensvotum bot für die Koalition aus Bauernpartei und Sozialdemokraten die einzige Möglichkeit, ohne Neuwahl des Parlaments und ohne Zustimmung von Präsident Lech Walesa eine neue Regierung zu bilden. Der abtretende Pawlak, dem auch sein Koalitionspartner Toleranz für Korruption, Abbremsen wichtiger Reformen und Vertrauensbrüche vorwirft, verteidigte in der Debatte seine Politik. Er habe die Renten erhöht, eine ehrlichere Privatisierung betrieben und die nationalen Wirtschaftsinteressen Polens gegen ausländische Konkurrenten verteidigt.

Oppositionsführer Bronislaw Geremek hielt Pawlak dagegen vor, seine Regierung habe die Inflation in die Höhe getrieben, die kommunale Selbstverwaltung blockiert und nie auf „ernste Korruptionsvorwürfe auf den ersten Seiten der Zeitungen reagiert.“Es ist nicht zu erwarten, daß sich die Regierung Oleksy grundsätzlich von der unter Pawlak unterscheiden wird. Die beiden Parteiführer Waldemar Pawlak (Bauernpartei) und Aleksander Kwasniewski (Sozialdemokraten) werden nicht in der Regierung sein, die meisten bisherigen Minister sollen entweder auf ihren Posten bleiben oder andere Aufgaben übernehmen. Keine endgültige Lösung gibt es noch für die sogenannten „präsidialen Minister“ des Verteidigungs- und Außenministeriums — also jene, deren Ernennung sich Präsident Lech Walesa vorbehält. Fest steht nur, daß der bisherige Außenminister Andrzej Olechowski nicht mehr dabei ist.

Als Jozef Oleksy am Montag über die Bildung einer neuen Regierung mit dem Staatschef sprechen wollte, holte er sich jedoch eine herbe Abfuhr: Bevor der künftige Premierminister vom Parlament formell gewählt war, wollte Walesa ihn nicht sehen. Der Zwischenfall verdeutlichte erneut Walesas Abneigung gegen eine Regierung unter dem Sozialdemokraten Oleksy. Der Präsident versucht seit Monaten, die exkommunistischen Sozialdemokraten mit der oppositionellen Freiheitsunion in eine Koalition zu zwingen.

Die polnische Verfassung sieht vor, daß eine aus einem konstruktiven Mißtrauensvotum hervorgegangene Regierung „vom Präsidenten berufen und vereidigt wird.“ Walesa interpretiert diese und die folgenden Klauseln so, daß er die Regierung Oleksy gar nicht unbedingt berufen müsse. Sollte er sich weigern, werde man ihn vor das Staatstribunal stellen, drohte erzürnt Kwasniewski, der Parteichef der Sozialdemokraten, am Montag.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen