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Berlin baut bald auf Hanf

Cannabis wird in Frankreich bereits als ökologischer Dämmstoff vertrieben / Anbau ist in Deutschland wegen panischer Angst vor Drogen verboten  ■ Von Lars Klaaßen

„Legalize it!“ Klar: Hier geht es um Hanf. Aber nicht das Recht auf High-Sein steht hier zur Debatte. Aus der Cannabis-Pflanze könnte noch viel mehr gemacht werden als Joints – wenn sie in Deutschland angebaut werden dürfte.

Doch Vorsicht vor Verwechslung: „Der Nutzhanf hat mit der Haschpflanze zwar das Aussehen gemein, enthält die Droge THC aber nur in unwirksamen Spuren“, erklärt Gert Brunner vom Hanfmuseum in Mitte. Trotzdem ist hierzulande auch der Anbau der Nutzpflanze bislang verboten. Dabei wird sie von Fachleuten als vielseitiger Rohstoff gepriesen.

Im Baubereich zum Beispiel kann Hanf in unterschiedlicher Form genutzt werden. „Gerade dort hat er gute Aussichten“, so Brunner: „Fasern und Schäben der Pflanze werden schon von alters her im Bausektor verwendet.“ Die Schäben, harte Späne aus dem Inneren des Stengels, eignen sich beispielsweise zur Dämmung von Wärme und Schall. Ein weiterer Vorteil: Sie absorbieren in hohem Maße Feuchtigkeit. Auch Spanplatten, Faserzementplatten und Hohlraumsteine können aus Hanf hergestellt werden. „Mit Zusätzen ist die Produktpalette universell ausbaufähig“, sagt Brunner: „Selbst Mörtel und Estrich auf Hanfbasis gibt es bereits.“

Die französische Firma Chevenotte Habitat aus René bei Le Mans hat aus Hanfzellulose den Baustoff Isohanf entwickelt. Er besteht aus Fasern von etwa anderthalb bis zweieinhalb Zentimetern und wird als Schüttgut in zwei Qualitäten geliefert. Bei der Produktion werden keine synthetischen Chemikalien eingesetzt.

Chevenotte Habitat führt eine lange Liste der vorteilhaften Eigenschaften an: Unter anderem sei Isohanf flammenhemmend, widersetze sich Fäulnis, sei ungenießbar für Nager, Termiten und Insekten, verhindere Kondenswasserbildung und verhüte auf natürliche Weise Pilzbefall, wirbt die Firma.

Wer sich Isohanf genauer ansehen möchte, kann das im Schöneberger Hanfhaus tun. Dort steht das Modell einer Hauswand, in die der Baustoff integriert ist. Auch der Tresen des Ladenlokals, in dem Kleider, Kosmetika und Papier aus Hanf angeboten werden, besteht aus diesem Material. „Isohanf ist ein ökologischer und kostensparender Stoff“, beteuert Chris Mangler, Mitarbeiter im Hanfhaus.

„Doch der Transport des Rohmaterials aus Frankreich nach Berlin lohnt sich leider nicht.“ Das Schüttgut ist sehr leicht und voluminös. Schon geringe Mengen nehmen viel Platz ein. „Die gute Ökobilanz von Isohanf wird bei langen Transportwegen wieder kaputtgemacht“, ärgert sich Mangler. Doch würde Nutzhanf auch in Brandenburg angebaut, versichert er, sähe das ganz anders aus.

Davon ist auch Mathias Bröckers überzeugt. Er ist nicht nur Herausgeber des Buches „Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf“ und Mitbegründer des Hanfhauses, sondern auch Vorsitzender der Hanfgesellschaft.

Dieser 1994 in Berlin gegründete gemeinnützige Verein fördert die wissenschaftlich-technische Erforschung des Einsatzes von Hanf. Mitglieder der Gesellschaft sind neben Landwirten auch Unternehmer, die an der Herstellung und am Vertrieb von Hanfprodukten interessiert sind. So auch die Agrargenossenschaft Marzahn. Sie engagiert sich insbesondere für die Entwicklung von Bau- und Dämmstoffen.

Bröckers sieht gerade für Berlin und Brandenburg große Chancen in der Legalisierung des Nutzhanfanbaus: „Die Pflanzen wachsen auch auf zweitklassigen Böden noch sehr gut.“ Der märkische Sand sei ein völlig ausreichender Boden. Außerdem sei Hanf mit seinen noch ungeahnten Möglichkeiten im Baubereich für die baufreudige Hauptstadt der ideale Rohstoff. Der Cannabis-Spezialist: „In Österreich wird im Labor bereits damit experimentiert, aus Hanf kompostierbaren Kunststoff zu machen.“

Aus dem Samen der Pflanzen kann Öl gewonnen werden, das wiederum als Rohstoff für die Produktion von Farben, Möbelpolituren und Bindemitteln von Hanfspanplatten dient. „Hanf-Klamotten sind zwar hip“, so Bröckers, „aber richtig spannend wird die Nutzung der Cannabis-Pflanze für mich vor allem im Bausektor.“ Damit die Vorteile des Hanfs in Berlin genutzt werden können, muß jedoch erst einmal sein Anbau legalisiert werden.

Die Dorfentwicklungs- und Landschaftspflege GmbH Gaja, ebenfalls Mitglied der Hanfgesellschaft, hat in Brandenburg den Anbau von 110 Hektar Hanf als Pilotprojekt beantragt. Ziel ist es, hier einen Präzedenzfall zu schaffen, doch das Verfahren läuft noch. „Auf Dauer läßt sich der Hanfanbau in Deutschland nicht blockieren“, weissagt Bröckers. Da in fast allen anderen EU-Staaten gepflanzt werden darf, wächst der Druck. „Doch 1995 wird es voraussichtlich noch keinen selbstangebauten Hanf in Berlin und Brandenburg geben“, vermutet der Vorsitzende der Hanfgesellschaft.

Dabei wäre der schnell wachsende Rohstoff auch für Brandenburgs Landwirte interessant: In etwa 100 Tagen haben die Pflanzen eine erntereife Höhe von rund drei Metern erreicht. Pro Hektar fallen dann acht bis zwölf Tonnen Schäben und anderthalb bis zwei Tonnen Fasern an. Außerdem braucht Hanf kaum Düngemittel und ist gegen Schädlinge resistent. „Doch gerade hier liegt der Haken“, vermutet Bröckers. „Der Chemieindustrie kann so ein anspruchsloses Gewächs nicht gefallen.“

Vom 2. bis 5. März findet in Frankfurt am Main das bisher größte internationale Hanf-Symposium statt. Thema werden auch die eventuelle Legalisierung des Nutzhanfes in Deutschland und die daraus resultierenden Möglichkeiten sein. Bröckers: „Es gibt viel zu tun, pflanzen wir's an!“

Hanfmuseum, Mühlendamm 5, 10178 Berlin (kein Telefonanschluß); Hanfhaus, Eisenacher Straße 71, 10823 Berlin, Telefon 782 31 69; Hanfgesellschaft e.V., Waldemarstraße 33, 10999 Berlin, Telefon 614 29 11.

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