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Kunst am laufenden Meter

■ "Multiples" in der Galerie des Westens: Zur Zehnjahresfeier zeigen die Künstlerinnen und Künstler des Hauses frische Beiträge zum Thema "serielle Kunst"

Uih, was ist das denn? Aus der Einladungskarte für die Ausstellung „Multiple“ fällt Kunst. Oberflächlich betrachtet, scheint es ein Gummihandschuh zu sein. Aber nein, Tom Gefken, Künstler der Künstlergruppe und Produzentengalerie GaDeWe, hat dem schlabberigen Teil aus dem Krankenhaus ein „innocent“ aufgestempelt und es somit zum multiplen Kunstwerk erhoben. In der Ausstellung selbst hängen noch etliche unschuldige Gummihandschuhe, ihr Pendant mit „guilty“ versehen. Tom Gefken hat sie mit steckbriefartigen Polaroids und Kriegsbildern aus dem ersten Weltkrieg arrangiert, eingetütet und verschweißt.

Mit der Ausstellung „Multiple“ feiern die 14 Künstler und Künstlerinnen der Galerie des Westens (GaDeWe) ihr zehnjähriges Bestehen. „Wir arbeiten sonst nicht zwingend miteinander“, sagt Mechtild Böger, Künstlerin der GaDeWe. Beim Thema Multiple habe es sich aber angeboten. Das Produkt der Massenkultur – ob Handschuh, Teesieb, Einkaufsbeutel oder Tortenform – von den einzelnen KünstlerInnen zur Kunst gemacht, wurde per Los einer anderen KünstlerIn der Gruppe zugewiesen und weiter bearbeitet. Rolf Weber hat die Idee von dem schuldigen Gefken–Handschuh umgesetzt: Der Gummi-Überzieher ist konsequent mit Dreck beschmiert.

„Das hat uns fasziniert, daß man ein Serienprodukt selbst herstellen und Industrieteile neu mit Wert belegen kann“, sagt Mechtild Böger. Sie hat Teesiebe als Grundlage für das Multiple „Kleine Käscher“ genommen. In die runden Öffnungen hat Böger Oblaten geklebt, auf denen der Abdruck von Zeitungsfotos prangt. Soldaten im Krieg, Aktenberge vor ihrer Vernichtung, eine Priesterweihe, eine unbekannte Dame mit Hut. Aus dem Zusammenhang gerissen, geben sie alle einen Augenblick der Zerstörung wider. „Man muß sich anders darauf einstellen, als in der Zeitung und kann nicht einfach weiterblättern“, meint Böger.

Auch Monika B. hat in ihrer Arbeit „Einsame“ Teile des großen Ganzen isoliert. Sie arbeitet nur mit Fundstücken, hat auf Schieferplatten Akaziensamen mit Teefiltern befestigt. „Ein Same“ steht darauf, der Nachsatz „im elementaren Keimzustand“ ist nur von sehr nahe zu lesen. Zwölf solcher identischer Tafeln hat B. nebeneinandergehängt. So hebt sich die Einsamkeit der Schiefertafel durch die Reihung wieder auf.

Am konsequentesten und klarsten haben Sabine Albers und Michael Eickhoff das Thema der sehenswerten Ausstellung bearbeitet. Sabine Albers hat Compact Disks aus Holz gefertigt und in die bekannte Plastikhülle gesteckt. Starr hängt der Inbegriff der neuen Medien und der Kommunikationsgesellschaft nun an der Wand. Albers hat die Idee der glitzernden Scheibe verholzt. Tausende von TechnikerInnen haben jahrelang am Rad der Hi-Tech-Kultur gebastelt; nun hat Albers die Scheibe auf das reduziert, was sie ist: ein Symbol, bar jeder Funktion, und doch sofort als CD erkennbar.

Michael Eickhoff geht mit seiner unlimitierten Arbeit noch weiter, reduziert den ursprünglichen Sinn des Materials vollständig. Er hat Rauhfasertapeten installiert, an der Wand und auf der Rolle. Tag für Tag von der Tapetenindustrie hergestellt, unendlich lang, solange Bedarf besteht. Da ruft Beuys ganz laut aus dem Grab: „Jeder ist ein Künstler“, und somit alles ein Kunstwerk. Eickhoffs Kunstwerk gibt es dann auch zum freundlichen Preis für die Kunstliebhaberin: 14,95 Mark. Ulrike Fokken

Bis 10. März in der GaDeWe, Reuterstraße 9-17; Di. 10-13 u. 15-19 Uhr, Mi. 10-13 Uhr, Do. 15-21.30 Uhr, Fr. 15-18 Uhr

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