piwik no script img

■ NormalzeitEin dreimal kräftiges „CD-ROM-PK!“

„All business is local“, sagte der Sales-Promoter der Verlagsgruppe Beneke, zu der auch Deutschland ältestes Druckhaus gehört – Schmidt-Römhild aus Lübeck –, das gerade erstmalig sein Berliner „Gewußt Wo“ auf CD-ROM rausbrachte, „und deswegen wird es keine CD-ROM für Gesamtdeutschland geben“. All business is aber auch teuer, und deswegen werde ich mir wohl nie ein CD-ROM-Laufwerk zulegen können.

Aber das taz-Archiv, in deren Auftrag ich somit in der Pressekonferenz (von den Profis nur PK genannt) der Beneke-Verlagsgruppe im Wichtigwichtigsaal des Hotels Berlin saß. Die anwesenden 28 Hauptstadt-Korrespondenten aus 29 Bezirken (ich war quasi für die Futonficker am Südstern vor Ort) bekamen das „Gewußt Wo“ als Hardcover und auf CD-ROM geschenkt, dazu noch das im selben Verlag erscheinende „Wer ist Wer“ für nunmehr ganz Deutschland, das jedem eitlen Gutverdiener gegen 5.000 Mark Platz für eine kleine Selbstdarstellung mit Photo einräumt – jetzt ebenfalls als Buch und auf CD-ROM. Anschließend servierten langbeinige Bedienungen den Topjournalisten, also uns, auch noch hübschen Rotwein und üppige Kaviarhäppchen. Ein in jeder Beziehung prima Bestechungstermin (BT) also!

Doch davor hatten die Götter der Wichtigkeit die Geduld gesetzt: Erst einmal zog sich der kaffeekomplettflankierte und episkopgestützte „Gewußt Wo“- Vortrag gehörig in die Länge. „Sechs Millionen CD-ROM- Laufwerke gibt es bereits in Deutschland“, sagte der Redner ganz unverhofft.

Da war sie wieder, die magische Zahl: sechs Millionen Fahrraddiebstähle, sechs Millionen Asylanträge, sechs Millionen Ost-West-Pendler, sechs Millionen Mark Schaden bei Karstadt durch Dagobert-Bomben, sechs Millionen Krebstote, sechs Millionen Unfalltote, sechs Millionen Din-A4-Plastikhüllen im Verteidigungsministerium ...

Zurück zur CD-ROM für sämtliche Berlin-Dienstleistungen und Berlin-Waren. Sie hat einen Index, „dafür wurden quasi alle substantiellen Begriffe isoliert (einschließlich der Berliner Behörden)“. Dann hatte auch der Programmentwickler, Professor Dr. Heyer aus Nürnberg, noch was beizusteuern: „Jedes Jahr werden frische Daten im Handel sein“, versprach er vollmundig, „damit sollen komplexe Informationsbedürfnisse schneller befriedigt werden.“ Was für eine Sprache, Denke gar! Neben dieser ganzen japanischen Hardware und amerikanischen Software, dachte ich, sind mir sowjetische Samoware doch am allerliebsten ...

Nach dem Verleger Norbert Beleke („Mein Leitspruch: Tradition und Fortschritt!“) kam der Purchase Consultant von der Hotline (Huiuiui!) zu Wort: „Man kann sich regelrechte Suchbäume vorstellen, mit einer Such- Unschärfe, die zwischen hundert Prozent, alles, also nichts, und null Prozent, das wäre dann der exakte Suchbegriff selbst, einzustellen ist.“ Das gefiel mir.

Denn meistens ist es ja so, daß man irgend etwas braucht, aber nicht genau weiß, wie es heißt. Für eine Rohrbombe oder mehrere braucht man zum Beispiel Temberfittinge mit beidseitigem Gewinde. Das weiß ich aber erst, seitdem ich im Dagobert-Prozeß zu Moabit sitze.

Was ist jedoch mit all denen, die nicht dieses kostenlose Vergnügen haben, aber eines der sechs Millionen CD-ROM-Laufwerke besitzen? Können sie, sagen wir auf einer Unschärfe von 75 Prozent, mit dem Suchbegriff „Bomben-Zubehör“ fündig werden? frug ich, sinngemäß, in die sehr programmbewußt wirkende Runde. Nein, wurde mir geantwortet, die Unschärfe beziehe sich auf das Suchwort direkt, also bei 20 Prozent etwa würde man zum Beispiel Eisenwaren „Fiedler“ in der Pappelallee auch noch unter „Fiedger“ finden.

Ich war enttäuscht, das muß ich schon sagen, trotzdem hat die CD-ROM viel für sich: Man kann damit zum Beispiel seine Lieferanten nach Straßen suchen, also in unmittelbarer Nähe des Wohnortes finden. Obwohl erfahrene Kriminalisten ja eher davon abraten, wohl um es ihnen nicht allzu leicht zu machen – und damit dann die Verbrechensaufklärungsrate erschreckend niedrig bleibt, so daß laufend mehr Bullen eingestellt werden müssen, was Arbeitsplätze schafft, vor allem für dumpfe Prolo-Jugendliche mit Miami-Vice-Wünschen, die besonders anfällig für Verbrechen sind. Hinzu kommt: „Jede Kripo ist bloß so intelligent wie ihre Kriminellen!“ (Richard von Weizsäcker) Helmut Höge

Wird fortgesetzt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen