: Da wo ich sie am liebsten lese Von Viola Roggenkamp
Wenn das Telefon klingelt, ich aber gerade auf dem Weg in die Küche bin, obwohl ich zuvor noch im Radio einen anderen Sender einschalten wollte, weil sie plötzlich Popmusik spielen, dann habe ich fast immer auch beide Hände voll mit Sachen, von denen nicht alles in die Küche gehört. Das Handtuch gehört ins Bad, der Rock in den Schrank, die Pumps zum Schuster, das Buch ans Bett, der Anspitzer auf den Schreibtisch und die Post von heute in den Papierkorb. Links balanciere ich Tasse und Teetopf und die Zeitschrift meiner Gewerkschaft. Ich bin nämlich sehr organisiert, nicht bloß im Journalistinnenverband, auch noch in der IG Medien. Diese Zeitschrift namens M – Menschen Machen Medien nun fiel zu Boden und blätterte sich auf, da wo ich sie am liebsten lese. Die Rubrik „Leute“. Ich weiß gern, wer wo weggeht und wo landet. Mehr allerdings wird dort auch nicht verraten. Warum etwa Christine Bruhn als stellvertretende Chefredakteurin bei Maxi den Kram endlich hingeschmissen hat, kann ich zwar vermuten. Doch für mein anständiges Gewerkschaftsblatt ist sie bloß „ausgeschieden“. Was an Langeweile zusammenkommt, wenn Journalismus objektiv sein will, wird in der Leute-Rubrik demonstriert. Verschenkt alles, was dem Menschen Freude macht, jede süffisante Randbemerkung. Vier Spalten sachlich richtige Personalien, unter deren Decke es von feinstem Klatsch und Tratsch brodelt, ungenutzt. Ein Jammer.
So dachte ich bis zu diesem Augenblick, als die Zeitschrift M zu Boden flatterte und mein Blick ihr nach. Was ich nicht vermutet hatte, auch in dreieinhalb sachlich richtigen Zeilen Personalie ist noch Raum genug für Frauenfeindlichkeit. Und wie es so geht mit Frauenfeindlichkeit hierzulande, sie will entdeckt werden. Erstes Beispiel: „Sabine-Almut Auerbach wurde in der Nachfolge von Harald Röpke zur Vorsitzenden des NDR-Rundfunkrats gewählt.“ Zweites Beispiel: „Dagmar Berghoff folgt Werner Veigel als Chefsprecherin der ARD-Tagesschau nach.“ Hier sind zwei Frauen aufgestiegen, zudem auf Plätze, an denen seit Generationen Männer klebten wie nichts Gutes. Als Gegenbeispiel die Version für den aufsteigenden Mann: „Axel Beyer, bislang Leiter der Abteilung Unterhaltung beim WDR-Fernsehen, wird neuer Chef der Unterhaltung beim ZDF. Sein Vorgänger Fred Kogel wechselt zu Sat.1.“
Wird die Frau neue Chefin, geht es um den Mann, der gegangen ist. Dem folgt sie nach. In der Männer- Meldung nehmen beide Männer ihren eigenen Platz ein. Und nun kommen Sie, lieber Leser: Sie meinen, die Personalien könnte eine Frau formuliert haben? Ich fürchte auch. Diese „Leute“-Rubrik macht bestimmt viel Arbeit, ohne daß sie viel einbringt, obwohl sie die größte Bedeutung hat. Und wenn da was falsch läuft, gibt es viel Ärger. Der typische Frauenarbeitsplatz.
Gehen wir mal davon aus, es war eine Frau. – Warum? Sie wollen von mir wissen, warum eine Frau so über Frauen schreibt? Gegenfrage: Warum schreibt sie nicht so über Männer? Nein. Das tut sie nicht. Das würde sie ja merken. Die Abwertung, die darunter leise wuchert. Und sie würde es zu spüren bekommen. Aber einer Frau gegenüber – nicht. Sie weiß ja aus eigener Erfahrung: Die merkt nichts.
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