piwik no script img

Heiße Nadeln, heiße Luft

■ „Das Schwein – Eine deutsche Karriere“ (So., 20.15 Uhr, Sat.1)

Nicht weniger als „Deutsche Zeitgeschichte“ wollte man dokumentieren, so Erfolgsautor Karl- Heinz Wildschrei („Ein Fall für zwei“, „Wolffs Revier“), nicht weniger als die „Geschichte eines tief amoralischen Helden“ erzählen. Das „siegreiche Schwein“, ein Novum in der deutschen TV-Geschichte, rührte Sat.1-Redakteur Thomas Teubner die Werbetrommel, werde ein „Glanzpunkt“ im Einerlei des Fernsehjahres 95.

Ja, man hatte sich einiges vorgenommen mit dem „Schwein“. Und es wurde im Zuge des Herstellungsprozesses immer mehr. Denn ursprünglich war Götz George, der noch vor ein paar Jahren absolute Privat-TV-Abstinenz geschworen hatte, von Sat.1 nur für eine neunzigminütige Ost-West-Komödie angeworben worden. Doch die Geschichte von dem tolldreisten Wenderitter Stefan Stolze, der als Geschäftsführer der (West-)Berliner „Preußen-Chemie“ die Treuhand besticht und so Besitzer eines maroden Ostbetriebs wird, soll den „Schulz&Schulz“-Darsteller so sehr interessiert haben, daß er seine eigenen Schwüre alsbald über Bord warf.

Als die Komödie schließlich abgedreht war, hatte sich die Republik an den Ost-West-Schwänken allerdings schon weitgehend satt gesehen, und weil die Sat.1-Verantwortlichen ihr Werk aber trotzdem so schön fanden, beschloß man kurzerhand, dem dritten Teil einfach zwei weitere vorzuschalten: Nun also heißt „Das Schwein“ im Untertitel „Eine deutsche Karriere“ und ist ein dreiteiliger Ritt durch die sechziger, siebziger, achtziger und neunziger Jahre geworden.

Irgendwie klingt das alles recht professionell und durchaus marktgerecht, gleichwohl – das wußte der Volksmund schon, bevor es Fernsehen gab – kann ein Zuviel des Guten eben doch am Ende auch Schaden anrichten. Und hier hat es das sehr gründlich getan.

Denn die dann eilig zusammengeschriebene Lebensgeschichte des schweinischen Helden Stefan Stolze, der sich nun im Eiltempo durch diverse Jahrzehnte und Branchen gaunert und am Ende dafür noch das Bundesverdienstkreuz überreicht bekommt, streckt die ursprüngliche Idee allzu deutlich auf das Dreifache: da wird immer wieder nach dem gleichen Strickmuster bestochen und herumgehurt, getrickst und geschmiert – und am Ende jeden Teils hat's einen Misthaufen voll Opfer. Nur das Schwein ist wieder obenauf.

Seine Stärken hat der Dreiteiler immer da, wo er die zumeist guten Schauspieler zu ihrem Recht kommen läßt: in den Szenen zwischen Götz George und Andrea Sawatzki zum Beispiel, wenn Stolze seine Gattin erst an die Flasche, dann in den Selbstmord treibt; oder wenn die Ereignisse sich endlich einmal beschleunigen dürfen und Komödiant George das Tempo dann genüßlich ins Turbulente treibt. Aber die vielen anderen Zeitgenossen, die da durch die Republikgeschichte taumeln, bleiben trotz guter Besetzung und schöner Kostüme ein ums andere Mal seltsam fad: Von Gudrun Landgrebe hatten wir nicht viel mehr erwartet, aber daß auch Karl Michael Vogler als Stolzes blaublütiger Schwiegervater und Rosemarie Fendel als Stolzes Mutter nicht so recht dazu kommen, ihre Figuren zum Leben zu erwecken, ist schon ein Trauerspiel.

Auch sonst hätte die Tour de force durch die deutsche Zeitgeschichte weit mehr einbringen können als einen peinlich jung geschminkten George mit Koteletten und Schlaghosen. Wie es hätte sein können, zeigt die Folge 2 („Die achtziger Jahre“) in einem kurzen Moment, wenn Immobilienhai Stolze sich im „Spektra-Nordmende“ einen TV-Bericht über die eingestürzte Kongreßhalle in Berlin anschaut. Von solchen TV-historischen Selbstreferenzen hätte man gern mehr gesehen. Aber für solche Feinheiten fehlte den Machern wohl die Zeit und für die öffentlich-rechtlichen Sendebänder Sat.1 vielleicht einfach nur die Lizenz. Und so muß man letztlich erkennen, daß es doch ein saublöder Fehler war, daß das „Schwein“ Götz George seinen privaten Schwur brach. Klaudia Brunst

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen