piwik no script img

Moskau schweigt noch

■ Der Krim-Konflikt sei Angelegenheit der Ukraine / Duma debattiert heute

Moskau (taz) – Der erste stellvertretende Vizepremier Rußlands, Oleg Soskowjez, hat die Aufhebung der Verfassung der Krim durch das Parlament in Kiew als „innere Angelegenheit“ der Ukraine bezeichnet. Anstatt sich zum Fürsprecher der russischen Bevölkerung der Halbinsel zu machen, widmete er sich seinen eigentlichen Aufgaben: Innerhalb von zwei Tagen die letzten Hindernisse auf dem Wege zum Abschluß eines ukrainisch-russischen Freundschaftsvertrages aus dem Wege zu räumen. Einen tieferen Grund dafür, den separatistischen Splitter im Auge des Nachbarn zu übersehen, liefert den Russen zur Zeit der tschetschenische Balken im eigenen Guckorgan. Deshalb ging Soskowjez sogar noch einen Schritt weiter und dankte der Ukraine für ihr „Verständnis in bezug auf die delikaten Fragen, mit denen sich Rußland in letzter Zeit auseinanderzusetzen hatte“. Diplomatisch verzichtete er zudem darauf, noch einmal den russischen Wunsch vorzubringen, in beiden Ländern eine doppelte Staatsbürgerschaft zuzulassen.

Schon am Montag hatten sich beide Seiten überraschend schnell über die Höhe der ukrainischen Schulden verständigt. 2,7 Milliarden Dollar gegenüber dem russischen Staat und 1,5 Milliarden Dollar gegenüber dem russischen Erdgasmonopolisten Gasprom. Kiew darf die längst fällige Rückzahlung dieser Summen nun über fünf Etappen bis in das Jahr 2001 hinein ausdehnen. Für Kiew erleichtert dieses Abkommen den Zugriff auf einen im Prinzip bereits zugesagten 1,8 Milliarden-Dollar- Kredit des Internationalen Währungsfonds. Gestern verständigte man sich dann – wie man hoffte – endgültig über die Teilung der Schwarzmeerflotte.

Insgesamt besiegelt das Umschuldungsabkommen die leise Rückeroberung der ukrainischen Industriehochburgen durch die Russen. Die Gasprom hat Interesse an der Nutzung ukrainischer Pipelines und erdölverarbeitender Anlagen, die ihr nunmehr auch zugesagt wurde. Außerdem diente der Soskowjez-Besuch der offiziellen Gründung einer Reihe von russisch-ukrainischen Finanztrusts, von denen der größte die zwischenstaatliche Entwicklung und Verbreitung von Flugzeug- und Raketenmotoren sichern soll. Kein Wunder, daß Gasprom-Chef und Industrieboß Viktor Tschernomyrdin, der in Personalunion auch die russische Regierung leitet, den ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma telefonisch seines Verständnisses für dessen Haltung in der Krim-Frage versicherte.

Weniger gelassen verfolgen die Abgeordneten der Moskauer Duma die Entwicklung zwischen Kiew und Simferopol, wo Krimpräsident Juri Meschkow bei gekappten Telefonverbindungen weiter im Amte ausharrt. Die Abgeordneten wollen heute über die jüngsten Entwicklungen debattieren. Der Vorsitzende der parlamentarischen Kommission für Fragen der GUS, Konstantin Satulin, erklärte, ein Freundschaftsvertrag mit der Ukraine könne vom russischen Parlament nicht ratifiziert werden, solange der Krim-Status nicht geklärt sei. Barbara Kerneck

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen