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„Ein notwendiger humanitärer Akt“

■ Berliner Kirchengemeinden antworten auf Abschiebepraxis der Behörden: Über 40 Gemeinden sind zu Kirchenasyl bereit

Über 40 Kirchengemeinden in Berlin sind bereit, drohende Abschiebungen von Asylbewerbern und Flüchtlingen durch die Gewährung von Kirchenasyl zu verhindern. Das ist für viele Gemeinden die Antwort auf die jahrelange Abschiebepraxis der Behörden. Derzeit sind in fünf Berliner Gemeinden sieben Personen oder Familien untergebracht, die von Abschiebung bedroht sind. Bundesweit gibt es 30 solcher Fälle. Nun haben sich mehrere Berliner Gemeinden und kirchliche Gruppen öffentlich zu dieser Praxis bekannt und wollen weitere Gemeinden ermuntern, ebenso zu handeln.

Organisiert sind diese Kirchen seit letztem Jahr in dem eingetragenen Verein „Asyl in der Kirche Berlin“. Kontinuierlich wachse die Zahl der Mitglieder, so der Sprecher des in seiner Art bundesweit einzigartigen Vereins, Pfarrer Jürgen Quandt. Besonders seit der Neuregelung des Asylrechts erklären sich immer mehr Gemeinden dazu bereit, Schutz zu gewähren. Inzwischen sind über 70 Organisationen in diesem Netzwerk zusammengeschlossen.

„Quantitativ ist das Kirchenasyl natürlich keine Antwort auf die derzeitige Abschiebepraxis in Deutschland“, gibt der Kreuzberger Pfarrer zu bedenken. „Aber jeder einzelne Fall ist ein notwendiger humanitärer Akt.“

Seit dem Beginn der Berliner Kirchenasyl-Debatte 1983 konnte so Hunderten von Flüchtlingen geholfen werden. In den meisten Fällen geht es dabei hauptsächlich um Zeit. Mit dem Schutz sorgen die Gemeinden dafür, daß nicht bereits vor richterlichen Entscheidungen abgeschoben wird. Oft sind die Fälle auch weniger spektakulär, etwa, wenn es um die Verhinderung von Familientrennungen geht. „In den meisten Fällen hat das zu positiven Ergebnissen geführt“, erläutert Quandt. In Berlin haben die Abschiebebehörden das Hausrecht der Kirchen bislang immer akzeptiert.

Die Berliner Gemeinden sind in einer günstigen Position. So sind sowohl der evangelische Bischof Wolfgang Huber als auch sein katholischer Kollege Georg Kardinal Sterzinsky für ihre offene Haltung in der Kirchenasylfrage bekannt. Außerdem gibt es noch aus rot- grünen Zeiten die „Härtefallkommission“, in der sich gesellschaftliche Gruppen mit der Innenverwaltung an einen Tisch setzen, um drohende Abschiebungen kurzfristig verhindern zu können. Christoph Dowe

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