Robbie, Gary, Mark etc.: Bitte werft die Geschenke jetzt!
■ Tourauftakt: Take That in der Berliner Deutschlandhalle
Eltern aufgepaßt! Wird eure Tochter gerade geschlechtsreif? Liest sie Bravo? Dann ist es wahrscheinlich schon zu spät. Denn seit gestern ziehen Robbie, Gary, Howard, Jason und Mark (!) unter dem Firmennamen Take That und dem kreuzartigen TT-Logo wieder durch Deutschland, um den Teens das Taschengeld aus den Jeans zu ziehen. Die, vor allem die Mädchen, finden das aber toll, belagern rituell die Hotels (in Berlin das Hilton) und pfeifen einen Geschäftsmann aus, als er aus seinem Mercedes steigt: Er ist nicht von TT.
Abends beim Konzert stehen all die Corinnas, Steffies und Nicoles mit Transparenten vor der Bühne und probieren ihre Englischkenntnisse aus: „Robbie, you're the love of my life“. Aber auch Jason und die anderen kriegen Transparente. Vor fünf Jahren wurden die fünf über eine Anzeige in einer britischen Zeitung angeworben. Nach dem Boney-M.-Muster: erst der Sound, dann die Gesichter und Ärsche. Fünf Jungs können mindestens fünf Zielgruppen erreichen.
In der Halle steigt die Spannung, die Mädchen fingern aufgeregt an ihren engen Ringelshirts, viele scheinen sich in diesem Moment einen richtigen Busen zu wünschen.
Dann die Fetischübergabe: Ich schenke dir etwas, was ich berührt habe, und dann berührst du es. „Bitte werft die Geschenke jetzt auf die Bühne, damit später niemand verletzt wird!“ sagt eine Frauenstimme aus dem Off. Es hagelt Teddybären und Liebesbriefe.
Licht aus, Spot an! Tusch, Tischfeuerwerk und schon öffnet sich der Boden. In bester Heinz-Rühmann-Manier tauchen die fünf aus der Unterwelt des erwachenden Trieblebens auf – was Bühnenhydraulik alles bewirken kann. Weil TT (fast) keine Instrumente spielen, gibt's eine Take-That-Band, die, Teil des Bühnenbilds, schwach ausgeleuchtet auf Podesten hin und her manövriert wird: Robbie, Tobby und das Fliewatüt.
TT müssen tanzen und ihre Körper zur Schau stellen. Ob im Netzhemd mit Unterhosenshorts (schon der Gipfel der Nacktheit dieses Abends – was vor allem die schwulen Fans im Saal enttäuscht), in karierten Schottenrockhosen, im schlabberigen Khaki-Look: Die Requisite hat zu tun. Nur ihre schwarzen Lederjacken mit nichts drunter, die sie beim MTV-Award vorm Brandenburger Tor trugen, bleiben im Schrank.
Ist das toll? Selbst wenn man total kulturunkritisch ist, ganz tief nach dem eigenen Teenieherzen gräbt, bleibt vor allem das Gefühl, wie anstrendend es sein muß, Jason, Mark, Robbie Gary und Howard zu sein.
Fünf Mann tanzen im Gleichschritt, Ausdrucksmöglichkeiten außerhalb der Choreographie läßt die Show nicht zu, nicht einmal der Mikrofonständer zwischen den Schenkeln scheint dem Take-That-Angestellten noch so richtig Freude zu bereiten. Die Band spult unterdessen den konturlosen, mit Soulrudimenten aufgemotzten Teenietraumsound ab: „Everything Changes But You“.
Für die Teenies ändert sich wirklich nichts. Vor der Halle warten, wie immer, die Eltern. Das Kreischen verstummt, erstaunlich schnelle Ernüchterung tritt ein. Die Teddys liegen bestimmt längst im Müllcontainer. Andreas Becker
Tourdaten: 25. 3. Berlin (ausverkauft), 28. 3. Kiel, 30/31. München; 2/3. 4. Zürich; 5/6/7. 4. Dortmund; 9/10. 4. Frankfurt 12. 4. Stuttgart, 15. 4. Wien; danach Mailand, Bologna, Rom ...
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