: Standort Erde Von Mathias Bröckers
Der Weltklimagipfel, der diese Woche in Berlin stattfindet, ist aller Voraussicht nach nicht einmal das Spritgeld wert, das die Delegierten für die Anreise aus aller Welt verpulvern. Dabei mögen die anwesenden Politiker, Ökologen und Umweltverantwortlichen ja durchaus guten Willens sein, etwas zu ändern, nur: sie haben nichts zu melden. Träfen sich statt Hunderter Delegierter die Direktoren von General Motors, DuPont, Daimler-Benz, Texaco und einem halben Dutzend anderer Weltkonzerne, wäre nicht nur die Klimabelastung durch den Kongreßtourismus reduziert, es könnte auch etwas Konkretes herauskommen. Nur: Diese Herren haben zwar etwas zu melden, aber kein Interesse, etwas zu ändern. Deshalb werden Hunderte von Delegierten zum globalen Labertermin geschickt, dürfen gute Absichten beschwören und zäh um ein gemeinsames Abschlußkommuniqué ringen. Was dabei herauskommt, ist ziemlich wurscht – wenn's zu Hause ernst wird, ist der profitable Schornstein – Standort Deutschland – weit näher als der globale Klimaschutz – Standort Erde.
Wie man CO2-Emissionen wirksam reduzieren kann, hat die ehemalige Sowjetunion, weltweit der zweitgrößte Verschmutzer nach den USA, gerade vorgeführt – in den letzten fünf Jahren sank der Ausstoß um über 30 Prozent. Bezahlt wurde dies mit dem Zusammenbruch der Großindustrie – scheinbar keine wünschenswerte Perspektive für andere Industriestaaten. Und doch werden sie nicht drum herum kommen. Die weltweit auf dem Verheizen fossiler Rohstoffe basierende Großindustrie m u ß verschwinden, wenn der Standort Erde bewohnbar bleiben soll. Das Dampfmaschinenzeitalter auf Basis von Kohle und Öl ist nach 250 Jahren unwiderruflich zu Ende. Und an der einzigen Alternative – Solarenergie und nachwachsende Rohstoffe – führt kein Weg vorbei. Nur: Wie macht man einem riesigen und mächtigen Dinosaurier klar, daß seine Zeit gekommen ist? Mit Appellen an Ethik und Moral ist da wenig auszurichten, es ist einzig eine Frage des Bewußtseins: Solange der Saurier nicht selbst kapiert, daß seine Wirtschaftsweise fatal ist und in den Untergang führt, so lange wird er nicht von ihr ablassen. Schließlich hat sie ihn 250 Jahre lang prächtig ernährt.
Die wirklichen Dinosaurier der Urzeit wurden nicht ausgelöscht, weil sie über zuviel Panzer und zuwenig Hirn verfügten, vielmehr verwandelte eine Katastrophe von außen, der Einschlag eines gewaltigen Himmelskörpers, die Atmosphäre in einen giftigen Backofen. Die Industriesaurier der Neuzeit dagegen heizen diesen Backofen nicht nur selbst an, sondern halten sich dabei auch noch für intelligent. Die öffentlichen Gelder, die weltweit für Waffenforschung und -beschaffung Jahr für Jahr ausgegeben werden, übersteigen die Etats für erneuerbare Energien um den Faktor 1000. In der Bundesrepublik kostete ein einziges „Tornado“-Kampfflugzeug soviel, wie in den gesamten 80er Jahren für die Förderung und Erforschung von Solarenergie ausgegeben wurde. Schaut auf diesen Kohl! Großkotzig die Völker der Welt zum Klimagipfel einladen und sich dann hinter den EU-Partnern verstecken. Einen klareren Fall von zuviel Panzer und zuwenig Hirn hat es in der Naturgeschichte noch nicht gegeben.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen