: Wer das Klima ruiniert, verhandelt völlig ungeniert
■ Keine Einigung auf Geschäftsordnung beim Klimagipfel / Beschlüsse stehen in den Sternen
Berlin (taz) – Der Klimagipfel in Berlin ist faktisch gescheitert. Die Delegierten werden es wohl nicht einmal schaffen, sich auf eine Geschäftsordnung zu einigen. Ursprünglich sollte der Konflikt zwischen den Ölstaaten und den anderen Mitgliedern der Klimakonvention über die Abstimmungsverfahren bis gestern entschieden sein. Doch Angela Merkel, Präsidentin des Gipfels, konnte kein Ergebnis der Verhandlungen vorlegen. Die Delegierten von Saudi-Arabien und Kuwait waren offensichtlich nicht von ihrer Forderung nach Einstimmigkeit bei zentralen Fragen abzubringen. Angela Merkel will das Thema Geschäftsordnung jetzt nur noch „auf zweiter Ebene weiterverfolgen“. Außerdem verwies sie auf die bereits geltenden Regeln der Klimakonvention: „Wir können immer im Konsens entscheiden“, sagte sie.
Diese Regel steht tatsächlich in der Konvention und wird zur Zeit auf dem Gipfel angewandt. Doch wenn der Klimagipfel dies nicht fortschreibt, indem er auch Abstimmungen mit Zweidrittel- oder Dreiviertelmehrheit zuläßt, kann jeder einzelne Staat wichtige Beschlüsse blockieren – genau das, was die Ölstaaten erreichen wollen. Angela Merkel setzt nun offensichtlich darauf, die Frage nach der Geschäftsordnung und den Mehrheiten einfach beiseite zu schieben: „Es ist wichtiger, daß wir am Ende etwas zu entscheiden haben“, sagte sie gestern.
Eine Grundlage für die Detailverhandlungen in den nächsten Tagen haben die Delegierten jetzt vorliegen: 42 Staaten, darunter auch einige Inselstaaten der AOSIS-Gruppe, haben am Wochenende einen Entwurf für das Abschlußdokument vorgelegt. Demnach soll der Verhandlungsprozeß sofort nach dem Berliner Gipfel fortgesetzt werden. Ziel ist eine 20prozentige Kohlendioxid-Reduktion der Industrieländer bis zum Jahr 2005. Beim Klimagipfel in zwei Jahren in Tokio soll dann ein verbindliches Protokoll unterzeichnet werden. Allerdings ist auch dieser Entwurf für einen Arbeitsauftrag eher sanft gehalten. So hat offenbar die Delegation Chinas statt „Verhandlungen“ die unverbindlichere Variante „Beratungen“ ins Dokument schreiben lassen, was juristisch bedeutet, daß der Prozeß jederzeit abgebrochen werden kann.
Die Industriestaaten stehen dem Vorschlag trotzdem mit erheblicher Skepsis gegenüber. Ein Punkt trifft sie besonders hart: Nach dem Vorschlag der 42 Staaten werden für Entwicklungsländer keinlerlei neue Verpflichtungen zur CO2-Reduktion festgelegt; dort dürften „die Pro-Kopf- Emissionen deshalb weiter steigen“, heißt es in dem Vorschlag der Entwicklungsländer. Ein Vertreter der deutschen Delegation hielt dies für nicht akzeptabel, wollte seine Kritik aber nicht begründen. Felix Berth
Siehe auch Seiten 7, 10 und 17
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