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Leserbrief zweimal zensiert?

Gerold Janssen, Bremens berühmtester Umweltschützer, ist als Leserbriefschreiber auch beim Weser-Kurier bekannt und gefürchtet - und hin und wieder zensiert. Partout wollte der WK die Sätze nicht unter „Leserforum“ im Blatt haben, die ein Licht auf die internen Strukturen der Handelskammer werfen. Janssen schrieb daraufhin an uns:

Selbstverständlich hat die Presse für Leserbriefe eine journalistische Verantwortung. Diese aber darf nicht in Willkür, schon gar nicht in politische Willkür ausarten. Was der Weser-Kurier mit Leserbriefen macht, möchte ich als Eingriff in die Pressefreiheit bezeichnen.

Bei diesem Massenblatt durchlaufen alle Leserbriefe die Chefredaktion. Dies ist nicht die einzige Hürde, die eingesandte Beiträge nehmen müssen. Von einem besonderen Fall möchte ich hier berichtete - nach meiner langjährigen Erfahrung kein Einzelfall. Mein Leserbrief lag dem Weser-Kurier nach einer Intervention bei der Chefredaktion ein zweites Mal vor - und wurde wieder „enthauptet“, nämlich nur ohne die Kritik an der undemokratischen Institution Handelskammer gedruckt. Auch als andere darüber berichtet hatten, nach der Kammer-Wahl, hatte die Redaktion des Weser-Kurier dies nicht getan - aus welchen Gründen auch immer.

Abgedruckt hatte der Weser-Kurier den Anfang meines Leserbriefes:

In einschlägigen Kreisen ist „HK“ auch als Kürzel für „Handelskammer“ gebräuchlich. „HK“ könnte neuerdings auch für „Horner Kaufleute“ stehen. Der Aufgabenkreis der Handeklskammer verkümmert nämlich zu einer Polemik zwecks Ablehnung der Linie 4 zugunsten der Kaufleute in der Leher Heerstraße in Horn, eine Litanei ohne Ende. Von einer ökologisch/ökonomischen Gesamtverantwortung ist nicht das Geringste zu verspüren.

Trotz der Zusage der Chefredaktion hat der Weser-Kurier auch beim zweiten Anlauf die Fortsetzung meines Briefes unterschlagen:

Hängt das nicht etwa auch mit einem undemokratischen System der Handelskammer an sich zusammen? Nehmen wir die Wahl zu Vorstand und Präsidium der mehr als 20.000 Zwangsmitglieder. Sie wird mit einer geradezu suspekten Geheimniskrämerei betrieben: Die Kandidatenliste wird vom Präsidium aufgestellt und allein 100 Mitgliederfirmen sollen pro Kandidat erforderlich sein, um eine andere Person auch nur als Kandidat auf die Liste zu bringen. Weder die Öffentlichkeit noch der Gewählte erfahren schließlich die Ergebnisse der Kammerwahl.

Im Gegensatz dazu ist die Wahl bei der Handelskammer Hamburg demokratischer gestaltet. Die Kammer verhält sich offener. Kein Wunder, daß die Wahlbeteiligung in Bremen bei nur 4 Prozent liegt. Ich kenne keine Bremer Institution mit einem demokratieferneren Gebaren als die Handelskammer Bremen; aber sie greift tief in unser gesamtes gesellschaftliches Leben hinein - weit über ihre Mitglieder hinaus - ohne eine entsprechende Verantwortung für unsere zerstörte Natur und Umwelt zu übernehmen. Gerold Janssen, 16.3.1995

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