: Ich bin kein Vorbild, ich fahre auch bei Rot
■ Die Erfahrungen eines radelnden Amerikaners in Berlin: Es macht Spaß
Ich hätte nicht gedacht, daß in Deutschland so viele Menschen mit dem Fahrrad fahren. Es sind so viele Leute, daß extra Fahrradwege für sie angelegt wurden. Wahrscheinlich soll das ja sicherer sein, wenn es einen eigenen Weg gibt. Aber die Spuren sind zu eng. Die Wege werden von so vielen Radfahrern benutzt, daß es mir viel schwerer fällt, mich noch zu konzentrieren. Als Amerikaner bin ich Radwege gar nicht gewohnt. Ich fahre sonst eigentlich immer da, wo ich will: auf der Straße, auf dem Fußweg, na gut, auch auf dem Fahrradweg.
Es ist wirklich ein Abenteuer, durch die Straßen der so großen Stadt Berlin zu fahren. Es gibt so viele Leute – und so viele Autos! Typisch für Deutschland finde ich, daß alle auf ihrem eigenen Weg fahren. Mir macht es besonderen Spaß, kreuz und quer zu fahren, besonders zwischen all den vielen Menschen hindurch. Auf einer Hauptstraße sind wahrscheinlich mehr Fußgänger unterwegs als mein Heimatdorf Norton in Virginia Einwohner hat. Gerade deshalb macht es mir Freude, mich besonders schnell durchzuschlängeln, auch wenn es ein bißchen gefährlich ist.
Aber über Gefahr denken wohl nicht viele nach. Ich kann einfach nicht glauben, wie viele Deutsche ihr Rad ohne Helm benutzen. Ich würde nie ohne meinen Helm fahren. Ich kann mir auch gar keinen Grund dafür vorstellen...
Als „typischer Amerikaner“ gebe ich natürlich nie ein gutes Beispiel. Klar, ich fahre bei Grün – aber bei Rot fahre ich auch. Die Deutschen nehmen die Regeln ziemlich ernst. Ich nicht. Ich bin nicht so streng. Denn ich will Berlin kennenlernen, möglichst viel in der Zeit, die ich habe. Und das geht am besten mit dem Fahrrad. Kleinere Städte lernt man vielleicht besser zu Fuß kennen, aber Berlin ist für mich einfach viel zu groß, ganz unmöglich zu erlaufen, nur zu erfahren.
Und anders als aus dem Auto habe ich auf dem Rad schon viel Alltagsleben kennengelernt, lebendiges Leben in den verschiedenen Stadtteilen. Fahrradfahren gibt mir die Möglichkeit, die Menschen auf den Straßen einfach zu erleben. Und für einen „Kleindorfmann“ finde ich mich auch schon gut zurecht – meistens.
Was mir auf die Nerven geht, sind die vielen Raddiebstähle! Einem Freund von mir wurde sein Fahrrad nach drei Tagen geklaut! Seitdem habe ich Angst, mein Rad irgendwo stehen zu lassen, dabei habe ich es schon mit zwei teuren (und hoffentlich guten) Schlössern gesichert. Aber sonst gefällt mir Berlin. Besonders gefallen mir die Seen und der Tiergarten. Es gibt viel mehr Parks zu entdecken, als ich gedacht hätte. Und ich finde es gut, daß man sein Rad in der U- und S-Bahn mitnehmen kann, auch wenn es eng wird. Zwar muß ich mich dort ständig um mein Fahrrad kümmern, aber das tue ich gern: Es kümmert sich ja auch um mich. David Horne
Der Autor ist Yale-Absolvent und im Rahmen eines Austauschprogramms als Englischlehrer tätig.
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