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Alle wollen Recht

■ Kein Konsens über HUB-Repetitor aus dem Justizprüfungsamt / FU-Studenten sauer / Examen in Gefahr

Die Miene des jungen Mannes, der am vergangenen Montag die Aushänge am Anschlagbrett der juristischen Studentenvertretung studierte, verfinsterte sich zunehmend: „Eine Sauerei ist das“, schimpfte er, und die umstehenden Studenten nickten ihm beifällig zu. Anlaß zum Ärgern boten neue Berichte, die am Fachbereich der Juristen an der Freien Universität (FU) unter der Reizrubrik „Examens-Schwindel an der Berliner Humboldt-Universität“ firmierten.

Nach Aussagen von FU-Studenten soll Klaus-Peter Jürgens, Leiter des Justizprüfungsamtes (JPA), gezielte Hinweise auf prüfungsrelevante Themen erteilt haben. Jürgens hatte auf Wunsch der Fakultät seit Sommer 1993 Examensvorbereitungskurse an der Humboldt-Universität Berlin (HUB) angeboten. Der Präsident der Freien Universität (FU), Johann Gerlach, forderte daraufhin die Suspendierung von Jürgens. Dieser hat sich inzwischen von seiner Tätigkeit an der HUB zurückgezogen.

„Wer vor der Führerscheinprüfung schon die Fahrtstrecke kennt, ist eindeutig im Vorteil“, sagte der erzürnte Student, Examenskandidat im zehnten Semester. Ebenso verhalte es sich mit den Repetitorien an der HUB, in denen geschummelt wurde. „Die Beweislage ist völlig klar“, so der Studi. „Wir machen nicht nur leere Versprechungen, daß sich der Stoff der Repetitorien mit den Examensforderungen deckt“, wurde JPA-Leiter Jürgens in einem Artikel aus dem juristischen Blatt „ad rem“ zitiert. Da er über die Prüfungsaufgaben entscheide, sei ein „Abgleich der Prüfungsthemen“ in seinen Kursen „sichergestellt“.

Die Formulierungen sorgen seit Tagen für Aufruhr unter den Jurastudenten an der Freien Universität: „Die Leute rennen uns wegen Ungleichbehandlung die Tür ein“, so Friedrich Hiller von der Hochschulgruppe „Demokratisches Forum“. Rainer Eurskens, ebenfalls Studentenvertreter, will eine rechtswissenschaftliche Studentenbewegung gesichtet haben, die „in letzter Konsequenz ihre Rechte vor dem Verwaltungsgericht einklagen will“. Sollte sich eine Benachteiligung der FU-Studenten herausstellen, könnten knapp 200 gescheiterte Prüflinge der Fakultät auf Wiederholung ihres Examens klagen.

Die Frage, ob Jürgens wirklich Hinweise auf Prüfungsthemen gegeben hat, ist wohl nicht eindeutig klärbar. Bei einer Podiumsdiskussion in der Humboldt-Universität am Donnerstag wurde dies von HUB-Studenten, die an den Repetitorien teilgenommen hatten, zurückgewiesen.

Als „infam“ bezeichnete der ehemalige HUB-Dekan Bernhard Schlink zudem, wie die Aussagen von Jürgens in dem vielzitierten „ad rem“-Artikel an der FU interpretiert würden: „Wer gute Vorbereitungskurse abhält, erzielt eben manchmal einen Treffer.“ Schlink hob hervor, daß der Einsatz von Jürgens und seinen Mitarbeitern den Studenten teure Repetitorien bei gewerblichen Juristen erspart hätten.

Ob Jürgens weiter unterrichten darf, ist ungewiß. Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit, die die Vorwürfe Gerlachs als „abwegig und unqualifiziert“ bezeichnete, fordert einen gemeinsamen Beschluß der beiden juristischen Fakultäten über zukünftige JPA- Einsätze bei den Examensvorbereitungen. Der Fachbereichsrat der FU hat sich wegen der „strukturellen Befangenheit“ von Mitgliedern des JPA prinzipiell dagegen ausgesprochen.

Es sei eine „Katastrophe“, wenn die Trennung zwischen Ausbildung und Prüfung beim Staatsexamen nicht mehr gewährleistet sei, meldete sich eine FU-Studentin entschlossen zu Wort. Der „Interessenkonflikt“ bei JPA-Mitarbeitern sei offensichtlich: „Als guter Repetitor muß Jürgens sagen, was drankommt. Als JPA-Präsident darf er das auf keinen Fall.“

„Eure angeblichen Sorgen um die Integrität des Staatsexamens sind doch nur ein Vorwand“, polterte umgehend ein Humboldt- Universität-Student los, „ihr wollt uns nur etwas wegnehmen, was ihr nicht habt.“ Dabei gibt es auch an der FU keinen Konsens, was die JPA-Repetitorien betrifft. Allgemein wird bemängelt, daß im Vergleich zur HUB zuwenig Examensvorbereitung angeboten wird. In der Studentengruppe AL-Jura setzt man sich zum Beispiel offen für Jürgens ein. Humboldt-Uni- Dekan Thomas Raiser versuchte die gereizten Studenten zu besänftigen: Er habe erste Gespräche mit der FU-Fachschaft geführt und auch dort den Wunsch nach JPA- Repetitorien vernommen. Simone Miller

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