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■ Der ehemalige Chef des Pentagons, Robert McNamara, bedauert in seinen Memoiren den VietnamkriegEine merkwürdige, eine sehr, sehr verhaltene Selbstkritik

Schwierig, sich heute, zwanzig Jahre nach dem Regime-Wechsel in Saigon, zu vergegenwärtigen, welchen überragenden Platz Robert McNamara innerhalb des US-amerikanischen Vietnam-Engagements und später innerhalb der Analysen eingenommen hat, die von den verschiedenen Antikriegsbewegungen erstellt worden sind. Der Staatssekretär zur Verteidigung war damals zum Symbol einer eisigen Maschinerie geworden, die einem Imperialismus, der jede Skrupel abgeworfen hatte, diente.

McNamara trat im Februar 1968 als Chef des Pentagons zurück. Jetzt hat er ein Buch veröffentlicht: In Retrospect: The Tragedy and Lessons of Vietnam (Times Book/Random House), in dem er erklärt, sich getäuscht zu haben: Die USA hätten sich nie in diesen Krieg ziehen lassen dürfen, sie hätten die Bedeutung des vietnamesischen Nationalismus unterschätzt, die Regierung in Washington habe damals ununterbrochen ihr eigenes Volk belogen.

Eine merkwürdige und eine (sehr, sehr) zurückhaltende Selbstkritik. Mit seinen Freunden McGeorge Bundy und W.W. Rostow war McNamara der Hauptverantwortliche für das US-amerikanische Engagement in Vietnam gewesen. Obwohl er sich häufig pessimistisch über die Erfolgsaussichten dieses Unternehmens äußerte, war er nichtsdestoweniger sein größter Ideologe, wobei er die Möglichkeiten der modernen Technologie als entscheidend für den Sieg in Anschlag brachte: die Hubschrauber (3.000 waren in Südvietnam im Einsatz) und die Produkte der chemischen Industrie. Gerade in bezug auf die letztgenannten, kriminellen Waffen ist es angebracht, daran zu erinnern, daß McNamara öffentlich die Dow Chemical Company, die das berüchtigte Giftgas Agent Orange entwickelt hatte, zu ihrem Beitrag für die Kriegführung beglückwünschte. Es ist der gleiche McNamara, der am 1. März 1965 dafür sorgte, daß dem US-Militär in Asien quasi unbegrenzte Kredite zuflossen. Als er 1967 zu dem Ergebnis kam, daß die USA auf die Niederlage zusteuerten, daß die Wirtschaft und die Finanzkraft des Landes eine Fortsetzung des Kieges nicht mehr erlaubten, war es zu spät.

Aber In Retrospect provoziert noch andere, mehr mit der Aktualität verbundene Überlegungen. Als McNamara noch im Pentagon regierte und durch den Vietnamkrieg den Vormarsch des Kommunismus „eindämmen“ wollte, fand in einem anderen Land Asiens, in Indonesien, das größte Massaker der Nachkriegszeit statt, dem Zehntausende von Menschen zum Opfer fielen. Eine der ersten Maßnahmen des Militärregimes, das sich nach dem blutigen Putsch etablierte (und noch heute in Djakarta an der Macht ist), bestand darin, mit der US-amerikanischen Firma „Freeport“ einen Vertrag abzuschließen. Durch ihn kontrollierte und kontrolliert die Bergwerksgesellschaft einen Gutteil des zu Indonesien gehörenden Teils der Insel Papua. So setzte sich, getränkt vom Blut der Völker, in Südostasien die „neue Ordnung“ durch: die der Ökonomien, die sich ausländischen Investitionen öffnen.

Die Entwicklung der internationalen Finanzinstitutionen verlief in der gleichen Richtung, darunter auch die der Weltbank, deren Präsident McNamara unmittelbar nach seinem Rücktritt als Chef des Pentagons wurde (und bis zum 30. Juni 1981 blieb). Sein heutiges „mea culpa“ in bezug auf Vietnam ist nur mäßig interessant. Viel wichtiger wäre es, etwas von ihm über die Rolle der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds bei der Errichtung der „neuen Ordnung“ zu hören, bis hin zu dem Zeitpunkt, wo die Regierung in Hanoi die Revolution vergessen hat, sich statt dessen einem System in die Arme geworfen hat, das zu schweren sozialen Disparitäten und der Aufgabe der nationalen Souveränität führte. Was denkt McNamara, der als Präsident der Weltbank so viel von den „Armen“ gesprochen hatte, von der Politik struktureller Anpassung, die unter seiner „Herrschaft“ geboren wurde, und über deren tragische Konsequenz für die Schwachen in den Gesellschaften der Dritten Welt? Und wenn er Vietnam „bedauert“, bedauert er dann auch seinen Teil an der extremen Verschuldung der Dritten Welt, deren Krise zum Ausbruch kam, als er die Weltbank verlassen hatte?

Um im Bereich der Aktualität zu bleiben: Es ist nicht unnütz, zu einem Zeitpunkt, wo die „Entwicklungserfordernisse“ der Bergwerksgesellschaft im indonesischen Papua die Zwangsumsiedlung der Einheimischen nach sich ziehen, an einen anderen Amerikaner zu erinnern. An einen, der eine beträchtliche Rolle im Vietnamkrieg gespielt und die Entwicklung der politischen Lage stets aus nächster Nähe verfolgt hat. An einen, der nichts bereut – an Henry Kissinger. Der Elder statesman sitzt im Verwaltungsrat der „Freeport“ und fungiert als Berater (500.000 Dollar Jahresgehalt, laut Wall Street Journal) Jacques Decornoy

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