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Letzte Ausfahrt Gorleben

■ Seit gestern abend rollt der Castor quer durch die Republik zum Zwischenlager Gorleben

Berlin (taz/AFP/rtr/dpa) – Die bundesweiten Alarmketten sind ausgelöst. Gestern abend kurz nach acht Uhr machte sich ein Zug mitsamt dem Castorbehälter von Philippsburg aus auf den Weg zum Zwischenlager Gorleben. Heute gegen 10 Uhr wird der Castor-Express mit neun abgebrannten Brennelementen in Dannenberg erwartet. Dort soll er auf LKWs umgeladen werden. Die ersten hochradioaktiven Abfälle aus einem deutschen Atomkraftwerk werden nach den Plänen der Polizei heute pünktlich um 14 Uhr im Zwischenlager Gorleben ankommen.

5.300 Polizisten aus mehreren Bundesländern und 1.000 Beamte des Bundesgrenzschutzes sind seit Samstag im Dauereinsatz, um den Castor-Transport durchzusetzen. Erforderlich ist er zum jetzigen Zeitpunkt selbst nach Meinung der Betreiber des Atomkraftwerks nicht. Und auch SPD-Politiker sprachen von einer „Provokation“ seitens der Bundesregierung.

In Philippsburg sicherten gestern Abend Polizeiketten und Stacheldraht die Zufahrt zum Atomkraftwerk und die gesamte Bahnstrecke. Alle Zufahrtstraßen waren gesperrt. Noch vor der Abfahrt des Castors wurden 36 DemonstrantInnen vorläufig festgenommen, weil sie versucht hatten, die Bahngleise zu blockieren. Anschläge auf Bahnstrecken hatten schon in den frühen Morgenstunden vom Montag die mutmaßliche Route des Atomtransports markiert. Mit Stahlseilen und Wurfankern hatten Unbekannte Fahrleitungen heruntergerissen und unterbrachen damit fast alle Nord-Süd-Verbindungen der Bahn in Südhessen. Auch zwischen Bremen und Hamburg war der Zugverkehr aufgrund von heruntergerissenen Leitungen zeitweise blockiert.

Der Castor wird aller Voraussicht nach über Frankfurt, Fulda, Göttingen, Hannover und Uelzen nach Dannenberg fahren. Alternativ stehen jedoch auch Ausweichstrecken zur Verfügung. Mitglieder von Greenpeace wollen versuchen, den Transport zu begleiten. Der Sonderzug wird von einer Diesellok gezogen, um gegen Stromausfälle auf der Strecke gewappnet zu sein. Zusätzlichen Castorschutz bietet ein Personenwaggon, besetzt mit zahlreichen Polizisten und BGS-Beamten.

Joschka Fischer, Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, warnte gestern alle AtomkraftgegnerInnen davor, Gewalt einzusetzen. Allerdings findet auch er, die größere Provokation liege auf seiten der Bundesregierung. Immerhin hatte die den Transport mit allen Mitteln durchgesetzt.

Im Wendland gilt schon seit dem vergangenen Samstag ein Versammlungs- und Demonstrationsverbot. Der sozialdemokratische Landrat des Kreises Lüchow- Dannenberg, Christian Zühlke, verkündete gestern jedoch, er werde sich dieser Anordnung des Hannoveraner Innenministeriums widersetzen und an den Demos gegen den Castor beteiligen.

Ungefähr 1.000 Menschen, darunter Bauern mit Treckern, SchülerInnen und ganze Familien, gingen auch gestern wieder im Wendland auf die Straße. Neben dem Verladebahnhof in Dannenberg steht inzwischen ein Zeltlager, das die Polizei mehrfach vergeblich zu räumen versuchte. Mehrere Bahnübergänge wurden mit Treckern blockiert.

Ungeachtet des Castor-Transports begann gestern abend planmäßig eine neue Runde der Energiekonsensgespräche. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder saß am Verhandlungstisch, und das, obwohl Sozialdemokraten seines eigenen Wahlkreises ihn in letzter Minute aufgefordert hatten, das Gespräch abzusagen. nh/flo Seiten 6 und 10

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