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Rechnen ungenügend, Harpunieren gut

Norwegische Walfangschiffe stechen früher in See / Experten: Quoten auf falscher Grundlage errechnet / Der Fang der letzten zwei Jahre liegt unverkäuflich in Kühlhäusern  ■ Aus Oslo Reinhard Wolff

Vor der norwegischen Küste fließt wieder Walblut. Nachdem sich Greenpeace letztes Jahr mit den Walfangschiffen Verfolgungsjagden lieferte, hielt man in Oslo eine Vorankündigung des Startschusses der diesjährigen Waljagd nicht für angebracht: ein Frühstart zum 1. Mai sollte die KritikerInnen überraschen und vor der Tagung der Internationalen Walfangkommission (IWC) in Irland in diesem Monat Fakten schaffen.

232 Wale stehen auf der Abschußliste, nach 301 in der letzten Saison. Wie in den vorangegangenen Jahren lautet die Begründung: Die Jagd stelle keine Gefahr für den Bestand dar. Das ist mehr als fraglich. Nach jahrelangem Druck haben die Norweger nämlich erstmals ihre Berechnungsgrundlagen einigen Forschern des wissenschaftlichen Komitees der IWC vorgelegt. Urteil von Tom Arbom, Direktor für Zoo-Ökologie an der Universität Stockholm: „Das Material ist völlig unbrauchbar für die Rechtfertigung eines Walfangs.“ Gesehen haben die norwegischen Beobachter in einem umgrenzten Meeresgebiet nämlich nicht mehr als 500 Wale. Diese wurden dann auf den ganzen Atlantik hochgerechnet und diese Zahl nochmals mit 2,5 multipliziert – weil man vermutlich nur 40 Prozent der tatsächlich vorhandenen Meeressäuger gesehen habe. Resultat dieses Rechenkunststücks: 86.700 Tiere. Nach Zweifeln allerorten an dieser Zahl gab der norwegische Fischereiminister Jan Henry Olsen am Freitag eine Korrektur bekannt: Im Computerprogramm sei ein Fehler entdeckt worden, es gebe wohl nur 69.600 Zwergwale, deshalb sollen auch 69 Tiere weniger harpuniert werden als 1994.

Auf höchstens 51.000 Zwergwale kommt einer der anerkanntesten Walexperten, der britische Forscher Justin Cooke. Eine Zahl, bei der sich auch nach norwegischer Meinung jegliche Jagd auf die nordatlantischen Zwergwale verbieten würde, um den Bestand nicht zu gefährden. Anstatt, wie gehofft, endlich grünes Licht für den kommerziellen Walfang zu bekommen, wird Oslo das Aufdecken seiner Rechengrundlagen ein noch entschiedeneres Nein als bei den bisherigen IWC-Jahrestagungen einbringen. Das bedeutet neben weiteren internationalen Protesten, daß der Walfang auch ökonomisch sinnlos, da unwirtschaftlich bleibt: das Fleisch der 300 Wale verdrücken die NorwegerInnen angeblich als Delikatesse selbst. Doch die riesigen Mengen Walspeck der letzten beiden Fangsaisons liegen auf Halde, weil niemand sie will. In Japan könnten sie vermarktet werden. Ein Export dorthin, würde aber einen zusätzlichen Verstoß gegen internationale Abkommen bedeuten. So werden nach „erfolgreicher“ diesjähriger Jagd gut 500.000 Kilo Walspeck in Lagerhäusern auf den Lofoten vor sich hin gammeln.

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