: Non-Profit-Unternehmen für eine neue Perspektive
■ Eine irische Initiative versucht, Arbeitslose zur Umsiedlung in die entvölkerten ländlichen Gegenden zu bewegen / Hilfestellung auch von der Landbevölkerung
Irlands Folklore ist reich an Liedern, die das Schicksal der Auswanderer beklagen. Seit über 150 Jahren verläßt jedes zweite Kind, das auf der Insel geboren wird, später sein Heimatland. Besonders in den ländlichen Gegenden im Westen hat sich die Auswanderung bemerkbar gemacht, ganze Regionen sind entvölkert oder erwachen nur im Sommer zum Leben, wenn die TouristInnen kommen.
Ein Großteil der Dubliner Bevölkerung kann sich einen Urlaub an der nur 250 Kilometer entfernten Westküste nicht leisten. Die Arbeitslosigkeit liegt landesweit bei rund 20 Prozent; in manchen Vierteln der irischen Hauptstadt hat nur jeder Zweite einen Job. Da vor allem die Langzeitarbeitslosigkeit hochgeschnellt ist, kam der Bildhauer Jim Connolly aus der westirischen Grafschaft Clare vor fünf Jahren auf die Idee, aus der Not eine Tugend zu machen. Er versuchte, Dubliner Arbeitslosen die Umsiedlung in den Westen schmackhaft zu machen. Nachdem Zeitungen über seine Initiative berichtet hatten, stieg das Interesse sprunghaft an, so daß Connolly 1993 eine „nicht gewinnorientierte, nicht politische Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ gründete. Von seiner Idee profitieren nicht nur die Arbeitslosen aus der Stadt, glaubt Connolly, sondern auch die ländlichen Gemeinden.
Heute beschäftigt „Rural Resettlement Ireland“ (RRI), wie die Firma inzwischen heißt, drei Festangestellte und verfügt über ein Netzwerk von unbezahlten Kräften. Es gibt ein Büro in Dublin, in dem man sich beraten lassen kann. Die RRI stellt bei Umzügen ihren Möbelwagen zum Selbstkostenpreis zur Verfügung und hilft beim Umgang mit Behörden, was die Fortzahlung der Stütze angeht, vermittelt Häuser zu niedrigen Mietkosten und berät beim Aufbau einer neuen Existenz, damit die UmsiedlerInnen schließlich nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen sind. Bisher haben 160 Familien von dem Angebot Gebrauch gemacht, weitere 3.100 haben das Informationspaket angefordert.
„Wir sind nur eine kleine Organisation und werden vom Staat nicht unterstützt“, sagt Connolly. „Wir sind zwar jederzeit für Beratung und Hilfe bei Problemen nach der Umsiedlung da, aber die Familien müssen sich bewußt sein, daß sie die meiste Zeit auf sich allein gestellt sind. Dafür können sie sich fast immer an die Landbevölkerung um Hilfe wenden.“ Langfristiges Ziel sei es, ein Netzwerk in allen ländlichen Gegenden Irlands aufzubauen und Häuser anzukaufen, um sie zu günstigen Bedingungen an die umgesiedelten Familien weiterzuverkaufen, wenn sie in ihrer neuen Umgebung Fuß gefaßt haben. Ralf Sotscheck, Dublin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen