"Es gibt keinen Untergrund"

■ Das Verbot rechtsradikaler Organisationen zeigt Wirkung, seitdem habe sich in der Szene gar nichts entwickelt, meint der ehemalige Führungskader der verbotenen FAP, Norbert Weidner, im Gespräch mit C. Seils

taz: Jetzt, nachdem die FAP verboten ist und die Strukturen zerfallen sind, da fällt es nicht besonders schwer abzuspringen.

Weidner: In der Szene ist seit Monaten bekannt, daß ich nicht mehr tätig bin.

Warum steigen Sie jetzt aus?

Ich steige nicht aus, ich ziehe mich zurück.

Was ist denn da der Unterschied?

Ich will raus, ohne jemanden zu verraten oder mich politisch zu prostituieren wie etwa Hasselbach oder jetzt Althans.

Weil die ehemaligen Kameraden Sie sonst ans Messer liefern würden ...

Nein, ich habe keine Leiche mehr im Keller. Es ist sowieso alles über mich bekannt.

Was hat Sie bewogen auszusteigen?

Ich war in den letzten drei Jahren ausschließlich politisch tätig. Ich war noch keine 18, da zog ich bereits die Aufmerksamkeit der Behörden auf mich. Die Medien interessieren sich für einen und natürlich die Linken. Es war schon ein erhabenes Gefühl, in der Zeitung zu lesen, man sei ein gefährlicher Neonazi. So wurde ich immer neu angespornt. Ich habe mich um mein berufliches Fortkommen überhaupt nicht mehr gekümmert und die Schule kurz vor dem Abitur abgebrochen. In Zukunft will ich an mich denken, meine Ausbildung beenden und mit meiner Freundin zusammenziehen. Außerdem habe ich die Tekkno- Szene für mich entdeckt.

Statt am Wochenende singend durch die Wälder zu marschieren, ziehen Sie jetzt lieber durch die Tekkno-Diskos und pfeifen sich Ekstasy rein?

Probiert habe ich es mal. Aber ich nehme nicht jedes Wochenende fünf, sechs Pillen, so abgefahren bin ich nicht.

Die Kameraden konnten damit nichts anfangen?

Für die rechte Szene ist das ein Einbruch in ihre Weltanschauung.

Man darf ja noch nicht mal Coca-Cola trinken?

Vor allem der letzte FAP-Vorsitzende Friedhelm Busse oder der Chef der inzwischen verbotenen Wiking-Jugend, Wolfgang Nahrath, sahen das nicht gern. Das sind Betonköpfe und Moralapostel, da darf man keine Jeans tragen und keine Ohrringe. Aber mit deren orthodoxen nationalsozialistischen Ideen will ich nichts mehr zu tun haben.

Ein bißchen weniger stramm, etwas weniger Hitlerverehrung und Rassenideologie, dann wäre die Sache also noch in Ordnung?

Die radikale rechte Szene bewegt sich im Ghetto. Ich bin kein Nationalsozialist, aber ich halte die Nation als Ordnungsmodell für akzeptabel. Wer heute wie Busse sagt, jeder einzelne Ausländer muß raus aus Deutschland, am besten mit Waggons, dann ist das nicht mehr akzeptabel. Es läßt sich nicht mehr realisieren.

Was machen die FAP-Mitglieder seit dem Verbot?

Die meisten machen nichts und warten darauf, daß irgend jemand vorbeikommt und ihnen sagt, was sie zu tun haben. Es gab in der FAP vor dem Verbot Diskussionen darüber, die NPD oder die Deutsche Liga zu unterwandern oder regionale Organisationen aufzubauen. Aber daraus ist nichts geworden. Schließlich wurde darüber nachgedacht, ein Netz autonomer Gruppen aufzubauen, aber Friedhelm Busse und andere waren dagegen.

Warum?

Busse wollte der Führer sein.

Aber Friedhelm Busse ist doch nur die Karikatur von einem Führer ...

... der hat absolute Profilneurosen, aber es gab genügend Leute, die ihm hinterhergelaufen sind. Bei vielen jedoch ist Busse jetzt unten durch. Er hat die letzten tausendsechshundert Mark der FAP kassiert. Niemand weiß, wo das Geld geblieben ist.

Der Führer ist mit der Parteikasse durchgebrannt?

So würde ich das nicht sagen, aber er hat sie nicht mehr abgerechnet.

Ist in der FAP auch darüber diskutiert worden, in den Untergrund zu gehen, militante oder terroristische Aktionen vorzubereiten?

Nein. Es gibt keinen Untergrund, in den die Rechten gehen könnten. Die Szene ist viel zu transparent, überall sind Spitzel, überall werden wir von Verfassungsschützern überwacht.

Dann war der Staat im Kampf gegen den Rechtsextremismus also erfolgreich?

Das sehe ich genau so. Gegner des Verbots sagen zwar, jetzt ist die Szene nicht mehr so offen, jetzt könnte sich vielleicht ein Untergrund bilden. Aber wenn man bedenkt: 1992 ist die Deutsche Alternative und dann die Nationalistische Front verboten worden, und bis heute hat sich gar nichts entwickelt. Daß jemand durchknallt, kann ich mir vorstellen, daß irgend jemand „Bewegung in Waffen“ liest und dann rumballert. Aber organisiert passiert nichts.

Aber wenn es entsprechende Strukturen gäbe, wenn die Bedingungen andere wären, dann würden ehemalige FAPler auch Anschläge durchführen?

Es würden dann sicherlich einige Leute diesen Weg wählen. Viele Rechte distanzieren sich öffentlich aus taktischem Kalkül vom Terrorismus. Sie würden es natürlich insgeheim begrüßen, wenn zum Beispiel Politiker, Richter oder höhere Polizeibeamte angegriffen werden. Aber ich lehne Gewalt ab.

Sie waren einer der Initiatoren der Anti-Antifa. Das war doch der Versuch, militant gegen politische Gegner vorzugehen. Schließlich galt da das Motto „ausspähen, öffentlich machen, plattmachen“?

Aber wir konnten nur die beiden ersten Stufen durchführen, recherchieren und öffentlich machen. Selbst da hatten wir große Probleme. Unser größtes Ding war der „Einblick“, aber der war doch ein Witz. Wenn ich mir dagegen die ganzen Antifa-Broschüren ansehe, muß ich wirklich den Hut ziehen, die sind echt klasse recherchiert.

Aber die eindeutig zweideutige Aufforderung, jeder solle mit den Adressen „verantwortungsvoll umgehen“, war doch letztlich die Aufforderung zum Plattmachen.

Es entzieht sich dann aber unserer Verantwortung.

Sie haben doch einkalkuliert, daß Leute angegriffen werden, also waren sie auch die geistigen Urheber.

Klar haben wir damit gerechnet, daß vielleicht etwas passiert. Aber letztlich ist das doch eine Gewaltspirale, die nichts bringt. Solange sich rechts und links bekriegen, kann der Staat und seine Behörden sich das von ferne anschauen. Ich hätte mich gefreut, wenn es eine inoffizielle Regel gegeben hätte, die Linken lassen uns in Ruhe, wir lassen die Linken in Ruhe. Die sollen gegen den Staat agieren, und wir agieren auch gegen den Staat.

Das ist doch naiv und weltfremd. Die Rechtsextremisten werden doch zu Recht bekämpft. Wer Menschen als minderwertig bezeichnet, rassistische Ideologien verbreitet, Menschen anzündet oder zumindest geistig den Weg dazu bereitet, der muß bekämpft werden, da gibt es kein Stillhalten.

Die Antifa versucht Menschen zu kategorisieren, und jeder, der in eine bestimmte Kategorie fällt, der wird bekämpft. Eine Kategorie ist, du bist Faschist, deshalb wirst du bekämpft, oder du bist Ausländer, deshalb wirst du bekämpft. Oder die Juden ...

Das ist doch infam, das kann man doch wohl nicht vergleichen?

Ich glaube schon.

Sie stellen Täter und Opfer auf eine Stufe. Neonazis und Rassisten gehören bekämpft ohne Kompromisse.

Ich würde mich nie als Rassisten bezeichnen. Ich würde niemals sagen, ein Mensch ist minderwertig.

Aber Deutsche sind besser?

Wenn ich Deutscher bin, dann habe ich mehr Rechte innerhalb der BRD, schließlich trage ich auch eine größere Verantwortung für diesen Staat. Das ist doch ganz normal. Ich bin für eine Beschränkung des Asylrechts, aber Asylanten als minderwertig zu bezeichnen, das lehne ich ab. Ich würde mich eher in der Tradition der neuen Rechten als Ethnopluralist bezeichnen. Ich bin für die freie Entfaltung der Kulturen.

Alain de Benoist verkörpert mit seinem Ethnopluralismus doch den modernisierten kulturellen Rassismus der neuen Rechten. Er sagt, der Türke kann sich mit seiner Kultur nur in der Türkei frei entfalten, der Deutsche nur in Deutschland. Das ist doch nur eine modernisierte Ausgrenzungsideologie.

Wer sich als Türke fühlt, kann sich auch nur in der Türkei entfalten. Aber der kosmopolitische Türke, klar der kann sich in der Melting-pot-Gesellschaft entfalten, nur damit vernichtet er die deutsche Kultur und auch die türkische.

In dem Buch „Bewegung in Waffen“ gibt ein gewisser Hans Westmar Tips unter anderem zum Bombenbauen oder zum Nahkampf mit politischen Gegnern. Welche Rolle spielt dieses Buch in der rechtsextremen Szene?

Das Buch kursiert eher bei Journalisten.

Es gibt aber Leute aus der Szene, die es besitzen?

Klar, das Buch ist von der NSDAP/AO rumgeschickt worden.

Wer ist Hans Westmar?

Da sind die Behörden natürlich total heiß drauf. Hans Westmar gilt als gefallen in Kroatien.

... so heißt es nur, um die Spuren zu verwischen ...

... also wenn ich sagen würde, wer Hans Westmar ist, bekäme ich tierischen Ärger. Wenn ich Leute hochgehen lassen würde, dann könnten die mich genauso an den Pranger stellen, darauf habe ich keinen Bock.

Es ist aber jemand, der sich in der rechtsextremen Szene in Deutschland bewegt?

Bewegt hat.

Aber er ist nicht gefallen?

Auf jeden Fall ist er ausgeschaltet. Für die Szene ist er tot.

Welche Rolle spielt der Amerikaner Gary Lauck für die deutsche Neonazi-Szene?

In den letzten Monaten hat er eine ziemlich bedeutende Rolle übernommen. Durch die Verbote sind vielen Gruppen die Handlungsmöglichkeiten genommen worden. Seit den Verboten, so sagt es zumindest Gary Lauck, ist die Zahl der Abonnenten des NS- Kampfrufes sprunghaft gestiegen. Aber jetzt sitzt er ja in Dänemark in Abschiebehaft.

Wie oft hatten Sie Kontakt mit Gary Lauck?

In der Regel haben wir einmal in der Woche telefoniert.

Über welchen Zeitraum?

Intensiver im letzten Dreivierteljahr.

Sie wollen sich jetzt ins Privatleben zurückziehen?

Ich will mich nicht mehr in einer Szene bewegen, wo der Ruch von Straftaten oder Gewalt herrscht. Demonstrationen, Auseinandersetzungen mit Linken, Repression und Verfolgung, diesen Streß will ich mir nicht mehr antun.

Nur weil Sie den Streß nicht mehr aushalten?

Nein, aber wenn ich mich entscheiden würde weiterzumachen, dann bliebe ich beruflich eine Null. Dann würde ich irgendwann mal auf der Straße stehen. Es ist eine gesunde Portion Egoismus dabei, wenn ich jetzt nicht mehr mitmache. Ich hab' noch ein Strafverfahren laufen und will nicht irgendwann einmal im Knast enden. Das kenne ich von der HNG, die Leute, die in den Knast gehen, kommen noch schlimmer zurück.

Die Rechte wird immer nur wahrgenommen, wenn irgendwelche besoffenen Glatzköpfe gewalttätig werden. So werden alle in eine bestimmte Ecke gedrängt. Ich möchte mich nicht länger mit dem schreienden, glatzköpfigen Mob aus Hoyerswerda oder sonstwo identifizieren lassen. Ich bin nicht der geborene Schläger.

Aber schon dreimal wegen Körperverletzung verurteilt ...

In der rechten Szene ist das Faustrecht weit verbreitet. Als ich noch Skinhead war, vor meiner Zeit in der FAP, da habe ich mitgeprügelt, dazu stehe ich. Ich komme aus einer bürgerlichen Familie, an und für sich bin ich kein Typ für Gewalttaten. Ich hab nie Probleme mit Ausländern gehabt.

Also ziehen Sie sich auch aus taktischen Gründen aus der Szene zurück, weil Sie nicht in den Knast wollen?

Nein, ich muß wohl mit einer Haftstrafe rechnen, aber es gibt eine Menge von Faktoren, die zu der Entscheidung des Rückzuges geführt haben.