■ Das Portrait: Der dritte Mann
„Vor dem Wahlkampf warf man mir vor, ich hätte weniger Charisma als ein Computer, jetzt können wir Menem in die Stichwahl zwingen“, sagte Argentiniens Präsidentschaftskandidat José Octavio Bordón jüngst.
Die Worte sind bezeichnend für Bordóns Erfolg der letzten Wochen. Anders als sein Rivale, der Präsident und bekannte Frauenheld Carlos Menem, wirkt der 49jährige Senator wie ein blasser Technokrat. In den letzten Wochen stieg der Peronist jedoch vom unbedeutenden dritten Kandidaten zum ernstzunehmenden Konkurrenten des Staatschefs auf. Sollte er die Wahl zum Präsidenten schaffen, so wäre es das erste Mal, daß ein Soziologieprofessor an der Spitze der peronistischen Bewegung stünde. Bordón unterhält überdies keine Kontakte zu den Gewerkschaften, wie das traditionell in der Partei üblich ist. Seine Freunde kommen eher aus Unternehmerkreisen.
Der Vater von drei Kindern gilt innerhalb des gemäßigt linken Parteienbündnisses Frepaso denn auch als eher konservativer Politiker. Traditionell linke Wähler werden den sich als „Clinton des Südens“ verstehenden Senator daher nur aus Protest zu Menem wählen, heißt es in Argentinien.
Eine Eigenschaft jedoch, die unter PolitikerInnen seines Landes selten anzutreffen ist, wird ihm von allen Seiten bescheinigt: absolute Integrität. 1989 verzichtete er auf das Amt des Minsters für öffentliche Dienstleistungsbetriebe unter der Regierung Menem, um nicht in Korruption und Parteienklüngel verwickelt zu werden.
Argentiniens Präsidentschaftskandidat José Octavio Bordón Foto: Reuter
Während seiner Zeit als Gouverneur in dem westargentinischen Bundesstaat Mendoza kämpfte er gegen Vetternwirtschaft und erreichte einen gewissen wirtschaftlichen Aufschwung: die Exporteinnahmen der Provinz stiegen, und die Kindersterblichkeit sank um 150 Prozent.
Ob die Brandanschläge dieser Woche auf Bordóns Parteibüro ihm einen Sympathiebonus bringen werden, ist ungewiß – zumal in Argentinien immer noch um den Unfalltod von Menems einzigem Sohn getrauert wird. Und daß Bordóns politische Verdienste, zusammen mit dem wachsenden Unmut an Menem, letztlich ausreichen werden, um als Präsident gewählt zu werden, bleibt ebenfalls zu bezweifeln. Während einer Fernsehsendung sagte am Mittwoch sein 12jähriger Sohn vor laufenden Kameras: „Papa wird die Wahlen nicht gewinnen.“ Dorothea Schildt
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