: Vorschlag
■ Das Pop-Duo Taxi Val Mentek und seine tanzenden Brote
Es ist die Achse Paris–London–Richterswil, an der sich das Taxi Val Mentek entlangbewegt. Im schweizerischen Richterswil des Jahres 1973 begegneten sich die beiden Knaben Christoph Hefti und Dominik Scherrer zum ersten Mal, wie ihr Presseinfo glauben machen will, bei einer gemeinsamen Blockflötenstunde. Damals waren sie sechs. Mit dem Eintritt in die Pubertät oder früher legten Hefti und Scherrer dann die Flöten aus der Hand und schlugen andere Karrieren ein. Scherrer wurde Komponist für Film und Fernsehen und siedelte sich als solcher in der britischen Hauptstadt an. Hefti wählte den Beruf des Stoffdesigners, gewann Preise in Japan und folgte schließlich dem Ruf Jean-Paul Gaultiers in die französische Metropole, wo er auch heute noch extravagante Stoffmuster entwirft. Der eine hat Stil, der andere den Sound – was bei der Kombination dieser Elemente herauskommt, weiß man. Popmusik.
Der Pop von Taxi Val Mentek ist ein sich in raffiniert-kitschigen Exzessen der visuellen Dekadenz niederschlagender. Ihre Shows sind Feuerwerke an skurrilen Kostümen, schrillen Dekorationen, bunten Einfällen aus dem Füllhorn des gehobenen Camp-Verstandes. Das Zürcher Publikum überraschten sie zum Beispiel mit der Impersonisation eines Bistrotisches, komplett mit singenden Brezeln und steppendem Rotweinglas. In London wußten sie als tanzende Brote zu begeistern und zeigten nach dieser Einlage einen Kurzfilm, in dem ein Wurstballett von fliegenden Pilzen angegriffen wird. Wer ihnen auf diese Indizien hin eine Obsession mit den Mechanismen der Nahrungsaufnahme attestieren will, liegt durchaus richtig: Ihr vor einigen Monaten erschienenes Debüt-Album heißt „I Sleep On Your Tongue“ (Pointy Bird/RecRec), ein Titel, den Hefti auf der Bühne nachstellt oder -legt, indem er sich auf eine gewaltige Zunge bettet, die aus einem Pappmaul schlappt. Sicherlich reiches Futter für die Hobby-Psychologen, definitiv jedoch auch eine unterhaltsame Bühnenshow der eigenwilligen Art. Sie ist heute zum erstenmal in Deutschland zu sehen. Leider wird, wie so häufig, die kreative Bühnenpräsentation von der Musik nur unzureichend abgefedert. Taxi Val Mentek machen eine Art selbstironischen Elektropop zwischen Sparks, Yello und Soft Cell, doch um die Klasse dieser Bands zu erreichen, fehlt ihnen ein Dutzend guter Songs und ein Dutzend guter Melodien. So sind es also doch im wesentlichen die Brote und tanzenden Bratwürste, die den Nährwert dieses Duos darstellen. Johannes Waechter
Heute und morgen jeweils ab 22 Uhr im Boudoir, Brunnenstraße 192, 10119 Berlin
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