piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ Zart-poetische Photoarbeiten von Arnd Kaestner

Was sind das nur für merkwürdige Gebilde? Innere Organe? Zellkerne unter dem Mikroskop? Nicht einfach zu identifizieren, die Fotomotive, die der 34jährige Künstler Arnd Kaestner derzeit unter dem Titel „Die reine Ikone (2)“ in der Produzentengalerie Mulack 23 vorstellt. Zwei orangefarbene, nierenförmige Wulste, dazwischen ein unregelmäßiger Kreis, ein blauer Balken: den Untertitel der Ausstellung hat der gebürtige Hamburger, der seit 1988 in Berlin lebt, nicht zufällig gewählt. Die „Photoarbeiten für E.H.“ sind auch und nicht zuletzt als Hommage an die Künstlerin Eva Hesse gedacht. Ähnlich wie die 1938 mit ihrer Familie aus Hamburg geflüchtete, 1970 in New York verstorbene Hesse in ihren Objekten und Installationen, so spielt auf seine Art auch Kaestner mit zoomorphen Mischformen.

Doch diese zehn Bilder hier sind keine Schnappschüsse aus dem Reich der Makrobiologie. Und eigentlich trifft auch der Begriff „Fotografie“ nicht ganz zu. Kaestners Arbeiten entstehen auf andere Weise. Ausgangspunkt sind stets einfache, handelsübliche Diarahmen aus Glas. Auf diese trägt der Künstler in minimalen Mengen Wasserfarbe auf. Ein Tropfen genügt, um den kreativen Prozeß in Gang zu setzen. Das wäßrige Pigment verteilt sich auf dem Glasplättchen – noch bleibt die Möglichkeit zum Eingriff. Dann ist die Farbe getrocknet. Das Dia wird auf normales Fotopapier belichtet, fertig ist die Arbeit. Die Bescheidenheit der Mittel hat etwas von Poesie. Zarte, flüchtige und gleichzeitig ein wenig beunruhigende Bilder sind das.

Entscheidend sind letztlich die traditionellen Kategorien der Malerei: Komposition, Strahlkraft der Farben, die räumliche Illusion, die dadurch hervorgerufen wird, daß sich verschiedene transparente Schichten überlagern. Eine dieser „Photoarbeiten“, die grundsätzlich keine Titel tragen, sondern nur durchnumeriert werden, besteht aus einem blassen, rötlichen Fleck. Seine furchige Oberfläche sieht aus wie ein Stück verdörrter Erde. In der Mitte leuchtet ein satt glänzender roter Punkt, der an eine Brustwarze erinnert. Gerahmt wird das Ganze von einem breiten Streifen intensiv rot funkelnder Farbe. Außer den Bildern, die sich in loser Anordnung über die Wand verteilen, hat Kaestner noch zwei kleine elektrische Diagucker installiert. Dort kann man die Arbeiten, wenn man so will, im „Originalzustand“ betrachten. An ihnen zeigt sich der vergängliche Charakter von Kaestners Werken am deutlichsten. Knipst man das Licht aus, ist das Bild verschwunden. Ulrich Clewing

Noch heute und morgen 16–20 Uhr, Galerie Mulack 23, Mulackstraße 23, Mitte

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen