piwik no script img

Stutzen und Stollen für Girls

■ 25 Jahre Frauenfußball in Bremen: Ganz sicher guckt wieder kein Schwein

Als Steffi Graf begann, ihre Gegnerinnen reihenweise vom Tennisplatz zu fegen, waren sich tausende von Mädchen sicher: Das will ich auch. Ganze Heerscharen weißberockter Mädchen und Frauen jagten fortan dem Filz hinterher. Als das Frauen-Fußballnationalteam das erste Mal Europameisterinnen wurden, guckte mal wieder kein Schwein. Der Abstiegskampf der Männer des TSV Hintertupfingen in der 3. Kreisklasse blieb immer noch interessanter. Auch nach 25 Jahren Frauenfußball – in diesen Tagen feiern der DFB und der Bremer Fußballverband Jubiläum – interessiert sich das weibliche Geschlecht herzlich wenig für Stutzen und Stollenschuhe. Zum Vergleich: Im Bremer Fußballverband kicken derzeit rund 27.000 Männer – und 740 Frauen.

Mit Segen der Herren des Deutschen Fußballbundes darf es eigene Frauenteams und Meisterschaften erst seit 1970 geben: Da beschloß der Bundestag des DFB, der sicherlich nur momentanen Laune der Frauen nachzugeben und Frauen-Fußball als eine Art Emanzipations-Tummelplatz zuzulassen. 15 Jahre zuvor hatten die Funktionäre den Frauenfußball untersagt. Unter anderem mit dem Argument, daß Manager mit bunt zusammengewürfelten Teams durch die Lande zogen und die Frauen zur allgemeinen Volksbelustigung ausstellten.

Ein Blick auf die Witzeseiten der auflagenstarken Zeitschriften zeigt, daß sich Anfang der 70er Jahre an dieser Mentalität noch nichts geändert hatte: Der „Witz“ mit dem „Trikottausch“ fordernden Zuschauer bei einem Damenspiel war ungefähr in jeder dritten Ausgabe zu finden.

Den Frauen war–s egal. Die Pionierinnen im Lande Bremen waren die Frauen des TSV Wulsdorf: Innerhalb kürzester Zeit kamen 40 Spielerinnen in zwei Teams zusammen. „Beim allerersten Spiel 1970 gegen Spartak Bremerhaven (Endstand 13:0) kamen gleich 1.000 Zuschauer“, erinnert sich Wolfgang Genutis. Bei den weiteren Spielen blieben es 300 bis 500 – meist Männer. Die sahen angesichts des „dürftigen“ Leistungsstandards die Überlegenheit des Mannes als solchem bestätigt, auf dem Fußballplatz galt damals wie heute das Motto „Hier bin ich Macho, hier darf ich–s sein“. Und so gab es „anfangs viel Gelächter“, so Genutis – „dabei konnten die ja richtig gut Fußball spielen!“

Je besser der Frauenfußball wurde, desto uninteressanter wurde er für die Zuschauer. Zum Bremer Pokalfinale der Frauen und Mädchen am Donnerstag verirrten sich gerade mal 100 Menschen – „und das ist noch gut, normalerweise gucken nur die 10 Verwandten zu“, so Annegret Mindermann, Vorsitzende des Frauen- und Mädchenausschusses im Bremer Fußballverband. Mit dummen Männersprüchen und der Weigerung von Vereinen, Frauen- und Mädchenteams zu melden, kämpft Mindermann heute weniger als mit fehlenden Sponsoren, der Schwierigkeit, SchiedsrichterInnen für die Spiele zu bekommen, und dem Leistungsniveau im Stadtstaat. „Wir haben hier nur eine Bezirks- und eine Landesliga, und wer aufsteigen will, muß sich gleich mit viel besseren und erfahreneren Teams messen“, so Mindermann. Geschafft hat dies als einziges Bremer Team der Polizei SV, der in der Oberliga den fünften Platz belegte. Die Auswahlteams scheiden bei Ländervergleichen in schöner Regelmäßigkeit in den Vorrunden aus. Immerhin haben es zwei BremerInnen zu höchsten Ehren gebracht: Die Torfrau Yvonne Geisler wurde in das deutsche U 20-Auswahlteam berufen, und die Bundesliga-Schiedsrichterin Christine Frai wird als Linienrichterin bei der Frauen WM im Juni in Schweden dabei sein.

„Der Frauenfußball hat sich durchgesetzt“, ist sich Annegret Mindermann heute sicher. Die dummen Sprüche im eigenen Verband gibt es aber noch immer: „Gottja, es ist ja schwierig, mit Frauen umzugehen“, seibert da der Pressesprecher des Verbandes, Michael Jacobi, „Frauen sind ja soo empfindlich. Wenn die ein- oder zweimal nicht aufgestellt werden, verlassen die ja gleich den Verein. Fragense mal den Trainer xy. Und wer spielt, wird nach Freundschaft, nicht nach Leistung entschieden“. Ja, die Männer wissen–s eben besser: Das kann ja leistungsmäßig auch nix werden, gell... außer bisher drei Europameisterschaften, zum Beispiel. skai

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen