: Viel Wort und trotzdem Musik
Noch liegt es in den Händen des Medienrates, ob im Oktober das erste Universitätsradio in Berlin und Brandenburg auf Sendung geht ■ Von Holger Heimann
Wenn die Radiomacher vom SFB oder vom ORB einen Beitrag über Gentechnologie, über Arbeitsmarktentwicklungen oder, wie im September vergangenen Jahres, zum Fährunglück in der Ostsee machen wollen, dann klingeln sie zumeist bei den Fachleuten an den Universitäten und Hochschulen in Berlin und Brandenburg. Nicht immer mit Erfolg, wie aus eigener Erfahrung SFB-Redakteur und FU-Dozent für Medienpraxis Andreas Wosnitza weiß. Die Mitarbeiter des Uni-Radios hingegen säßen direkt an der Quelle, schwärmt Wosnitza von dem Radioprojekt, an dem er seit mehr als einem Jahr maßgeblich beteiligt ist.
Am 20. Juni wird der Medienrat über Sein oder Nichtsein des Universitätsradios entscheiden. Falls er dem gemeinsamen Konzept der drei Berliner Universitäten, der Potsdamer Universität sowie der sechs Berliner Hoch- und Fachhochschulen zustimmt, soll das Uni-Radio im Oktober erstmals auf Sendung gehen. Innerhalb des Programms von „Radio Charlie“ wird es dann von 18 bis 19 Uhr ein tägliches Fenster geben.
In sogenannten Praxisseminaren haben die FU-Publizistikstudenten gemeinsam mit Wosnitza detaillierte Programmpläne ausgearbeitet. „Viel Wort und trotzdem Musik“ ist das Motto. Nachrichten aus der weiten Welt und vom Campus, Beiträge zu aktuellen Themen und zu Projekten der verschiedenen Hochschulen sollen nur kurz von Musik unterbrochen werden. Am Wochenende soll es „special interest“-Programme geben. Gedacht ist hierbei an Vorlesungsmitschnitte, Talk-Runden und Wissenschaftsmagazine, an Hörspiele und Musikveranstaltungen.
„Wir haben die Chance, bei einem neuen Radioprogramm von Beginn an dabeizusein“, beschreibt Publizistik-Student Markus Letzner die Aufbruchsstimmung der Studentinnen und Studenten. Seine Kommilitonin Eva- Maria Kaes ist „ganz heiß darauf, bei einem qualitativ guten Programm mitzuarbeiten“. Als freie Journalistin arbeitet sie zwar schon bei Radio Brandenburg, aber noch was dazulernen könne sie allemal, begründet Kaes ihr Engagement für das geplante Radio. TU-Studenten sind schon seit mehr als sechs Jahren auf Sendung, derzeit funken sie wöchentlich eine Stunde im Offenen Kanal. Im Wochenendprogramm des geplanten Uni-Radios solle sie einen Sendeplatz erhalten.
Knapp 300 Studentinnen und Studenten könnten nach Ansicht von Winfried Göpfert, Publizistik- Professor an der FU, zu Programmgestaltern werden. Die Leitung des Sendebetriebs sollen zwei professionelle Radiomacher übernehmen. Initiator des Uni-Radios war Christian Walther, der an der FU als Pressesprecher arbeitet. Er meint, es müsse darauf geachtet werden, daß „alle Beteiligten zum Zug kommen. Aber die wichtigste Frage muß dennoch sein: Wer ist fürs Radio kompetent?“
Die Gespräche der Hochschulen über Programmanteile und Finanzierung kamen nach einigen Unstimmigkeiten erst seit Jahresanfang schneller voran. Vor zwei Wochen gab es dann auch die Erfolgsmeldung: „Die Berliner Hochschulen und die Uni Potsdam haben sich geeinigt“, hieß es.
Klar ist mittlerweile auch die Trägerschaft. Ein Verein, der aus einem fünfköpfigen Vorstand und einem Programmbeirat besteht, soll die Geschäfte führen. Auch die Finanzierung ist weitestgehend gesichert. Den Großteil des notwendigen Betrages von 600.000 Mark pro Jahr und Erstinvestitionen in Höhe von 150.000 Mark bringen die Hochschulen selbst auf. Die Mehrbelastung hält sich jedoch in Grenzen, da fast die Hälfte der Gesamtsumme ohnehin im Etat festgeschrieben war, etwa für die Ausbildung der Publizisten an der FU oder der Kommunikationswissenschaftler an der TU.
Auch entsprechende Räumlichkeiten sind bereits vorhanden. Das zentrale Studio soll in der Thielallee 50 in Dahlem, eine Außenstelle in Potsdam eingerichtet werden. In die Finanzlücke von geschätzten 100.000 Mark sollen Sponsoren springen. Die Beteiligten sind optimistisch: „Das Projekt hat mittlerweile eine solche Publizität erreicht, da werden sich auch Sponsoren finden.“
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