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Village VoiceIm Niemandsland tanzen

■ Onk Onk: Waiting for nothing – Herr Blum: Schock

Im Dezember gab Bernd Begemann beim Auftritt im Knaack Club folgende Geschichte zum besten: In einem Jugendzentrum in der Provinz habe sich gegen Konzertende ein junger Mensch mit den Worten „Ey, kannste auch was von den Scherben?“ an ihn gewandt. Befragt, ob er etwa Ton, Steine, Scherben meine, antwortete jener, er interessiere sich für die Scheiße, die hier so abgehe. Um den jungen Menschen über die wirkliche Scheiße aufzuklären, spielte er für ihn und das Knaack-Publikum den Schlager „Ja, wir erfüllen unser Soll bei der Firma Rock'n'Roll“.

Bei Onk Onk aus Kreuzberg wäre so etwas nicht passiert, gehört doch der TSS-Kassiker „die letzte Schlacht“ zum festen Repertoire der sechs Jingo-de- Lunch-Fans. Onk Onk, benannt nach einem Running Gag aus der Serie „Magnum“, spielen seit drei Jahren melodischen Punkrock. Mit ihrem Album „Waiting for nothing“ haben sie ein sauber gearbeitetes Gesellenstück vorgelegt, tauglich für das obere Mittelfeld der Regionalliga.

Eingeleitet von „Civilization's dying“, einem Zero-Boys-Cover, bieten die verbleibenden sechs Songs Einblicke in düstere Innenwelten wie auch frontale Gesellschaftskritik, größtenteils stilecht vom eintönigen Zweitakter angetrieben. Der Aufforderung folgend, fremde Sprachen im eigenen Land zu sprechen, haben Onk Onk ihre Texte in eher mittelmäßigem Englisch verfaßt. Rechtsradikalismus wird in „The Germans I“ zur Folge eines zu kurz geratenen männlichen Körperteils, „The Germans II“ protestiert gegen die blue eyes und ugly ties des Kanzlers.

Da dieses Stück anläßlich der Überführung königlicher Überreste nach Potsdam geschrieben wurde, dürfen natürlich weder der Hinweis aufs doofe Militär noch der Wunsch, als Hund verkleidet urinierende Grabschändung zu begehen, fehlen. Eine Geste, der in anderer Form schon von den Goldenen Zitronen (Am Tag als Thomas Anders starb) ihr Platz in der Geschichte des Punk zugewiesen wurde. Trotzdem läßt der klassisch- herbe Gesang der beiden Frontfrauen vermuten, daß Onk Onk eines Tages ins Vorprogramm von L7 kommen werden.

Direkt aus dem Mittelpunkt der Erde (wie eine Punkkneipe bei Berlin hieß) kommt Herr Blum zu uns. Doch leider wohnen zwei Seelen in seiner Brust, von denen bloß eine brennt. Nicht nur Thomas Wagner, der für Gesang, Gitarre und Baß verantwortlich zeichnet, sondern auch sein Vater Jürgen Wagner (Malerei) ist Teil des Projekts, dessen Hauptanliegen wohl in der Wiederbelebung der Leiche Jackson Pollocks durch starke Beschallung besteht. Ein Unterfangen, das binnen weniger Minuten mühelos die Peinlichkeitsgrenze überwindet.

Schade, denn Herrn Blums aktuelles Album „Schock“ setzt fort, was mit „Unschuldsengel“ 1993 begonnen wurde: den Versuch, dem literarischen Expressionismus ein musikalisch passendes Trümmergewand zusammenzunähen. Sänger Thomas Wagner verleiht den Texten, die allesamt von Siechtum, Leere und Dunkelheit künden, einen Beigeschmack Einstürzender Neubauten, die Rauhheit seiner Stimme läßt an die besten Zeiten Blixa Bargelds denken.

Eher geräusch- als klangvolle Gitarren untermalen das Ganze, um im nächsten Stück mit vereinzelten Tönen in leeren Klangräumen an die ganz frühen Sonic Youth zu erinnern. Oder aber – noch seltsamer – sie verschwinden plötzlich in einem stinknormalen Rockarrangement, das das Niemandsland des Niemandmanns wieder zur Tanzfläche macht. „Schock“ hat seinen Platz in der Nähe von „Halber Mensch“ und „Kill Yr. Idols“ redlich verdient, obwohl zu hoffen bleibt, daß die Sache mit der spontanen Aktionsmalerei auf der Bühne irgendwann ihr Ende findet – ein gelungenes Cover wäre schon genug gewesen. Gunnar Lützow

Onk Onk: „Waiting for Nothing“ (Eigenproduktion). Herr Blum: „Schock“ (Plattenmeister/Efa)

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