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Weichmacher verhärten Rexrodt

■ Wirtschaftsministerium verzögert Chlorparaffin-Ausstieg / Greenpeace belegt hohe Anreicherung des Krebsstoffes in Muttermilch und Lebensmitteln

Berlin (taz) – Fetthaltige Lebensmittel und Muttermilch sind mit Chlorparaffin hoch belastet. Das hat das Umweltbundesamt im Auftrag von Greenpeace herausgefunden. Die Umweltschützer hatten Makrelen, Fischöl, Margarine, Kuhmilch, Schweinefleisch sowie die Milch von zehn Hamburgerinnen zur Untersuchung gegeben. Auch das Fleisch mehrerer gestrandeter Wale wurde begutachtet. Die Belastung der Stichproben liegt zwischen 16 und 963 Mikrogramm pro Kilogramm Fett.

Das Umweltbundesamt hatte schon 1993 ein Verbot des Chlorgifts verlangt, das bei der Herstellung von Flammschutzmitteln, Weichmachern, Dichtungsmassen und in der Metallverarbeitung verwendet wird. Der Stoff gilt nicht nur als krebserregend. Er ruft bei Menschen auch Fortpflanzungsstörungen sowie Leber- und Nierenschäden hervor. Meeresbewohner werden unmittelbar vergiftet. „Wie nahezu alle Chlorverbindungen sind Chlorparaffine in der Natur extrem schwer abbaubar und reichern sich in der Nahrungskette von Menschen und Tieren an“, schreibt Greenpeace.

Anfang dieser Woche hat der Chemiekonzern Hoechst zwar seinen Ausstieg aus der Produktion des Stoffes bis spätestens 1998 angekündigt; damit verschwindet in Deutschland die letzte Produktionsstätte. Eine Chlorparaffin- freie Zone aber ist das Land noch lange nicht. Der britische Marktführer ICI reagierte prompt mit Freude über die rosigen Aussichten fürs eigene Angebot.

„Nur ein Anwendungsverbot kann die Umwelt und die Gesundheit von Menschen wirksam schützen“, sagt Manfred Krautter, Chemieexperte bei Greenpeace. Das Bundeswirtschaftsministerium hat allerdings bisher erfolgreich jede Beschränkung verhindert. Als 1994 das Verbot der gefährlichen Chemikalie auf der Tagesordnung der Oslo-Paris-Kommission (Osparcom) zum Schutz des Nordostatlantiks stand, fehlte zur Mehrheit nur die Stimme Deutschlands. „Es gab Vorbehalte, weil es für mehrere Produkte keine Substitute gibt“, erklärte Sprecherin Claudia Seltmann gestern. Inzwischen ist das Verbot soweit aufgeweicht, daß bei der Osparcom- Sitzung Ende Juni offenbar auch Deutschland zustimmen will. Der neue Plan, der auf einem Vorschlag zur Selbstverpflichtung der Industrie aus dem Hause Rexrodt fußt, sieht einen stufenweisen Ausstieg aus der Chlorparaffin-Herstellung vor. „Ausnahmen gibt es aber für Produkte ohne Substitute“, so Seltmann. aje

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