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Bremen soll wieder aus der Weser trinken

■ Modellanlage zur Aufbereitung geplant / Große Ausstellung rund ums Wasser im Rathaus

Stehen BremerInnen auf der Wilhelm-Kaisen-Brücke, packt sie oft das kalte Grauen: Braun oder grau fließt die Weser dahin, kein Grund oder gar Fisch ist zu erkennen, Schaum deckt weite Flächen des Stromes ab. Ungenießbar sieht die Brühe aus. Doch das Auge trügt: Die Weser hat Trinkwasserqualität.

Direkt ab Ufer ist sie freilich nicht zu genießen. Dort stören noch biologische Verunreinigungen wie Bakterien und Mikroorganismen, Schwebteilchen, die das Wasser trüben und vor allem der Geruch. „Das sind für einen Wasserwirtschafter absolut keine Probleme“, sagt Jürgen Schoer, Leiter der Abteilung Wasserbeschaffung bei den Bremer Wasserwerken. Der studierte Chemiker prüft daher für die Stadt Bremen, wie in absehbarer Zeit Weserwasser wieder als Trinkwasser aufbereitet werden kann.

Nachdem die Kalischleuder in Bischofferode (Thüringen) geschlossen wurde, hat sich die Wasserqualität der Weser enorm verbessert. Bis Ende der siebziger Jahre entnahmen die Wasserwerke erhebliche Mengen Wasser aus der Weser, dann machte die hohe Salzkonzentration aus den ostdeutschen Betrieben den Fluß ungenießbar und gesundheitsgefährdend.

Bremen schloß daher Verträge mit niedersächsischen Umlandgemeinden, die für die Stadt Wasser aufbereiteten und nach Bremen pumpten. So kommen seit 1983 86 Prozent des Bremer Trinkwassers aus Wildeshausen, dem Harz und aus der Gegend um Verden. Es setzt sich zusammen aus Grund- und Oberflächwasser, beide jedoch von bester Qualität, wie Wasserfachmann Schoer versichert. Nur Bremen-Nord versorgen die Wasserwerke mit bremischem Grundwasser aus dem Wasserwerk Blumenthal.

Die Verträge mit den niedersächsischen Wasserwerken laufen bis zum Jahr 2010 aus. Dann muß Bremen sich selbst versorgen. „Die Umlandgemeinden sehen den Verkauf zunehmend kritisch“, sagt Schoer. Warum auch den eigenen Grundwasserspiegel gefährden, nur damit die BremerInnen duschen können? Bis zum Sommer nächsten Jahres muß Schoer daher ein Machbarkeitsgutachten erstellt haben. Kommt er zu dem sehr wahrscheinlichen Ergebnis, daß das Weserwasser nutzbar ist, soll zunächst eine Modellanlage gebaut werden.

Oberflächenwasser aus landwirtschaftlich stark genutzten Gegenden wie dem niedersächsischen Schweinegürtel ist sowieso eine unsichere Quelle für die Bremer Versorgung. Solange Bauern Pestizide und Dünger noch immer nach dem Motto „viel hilft viel“ ausbringen würden, sammeln sich in Flüssen und Grundwasser ungesunde Rückstände.

In Bremen-Nord kooperiert Jürgen Schoer daher seit 1988 mit den LandwirtInnen. Ein Berater wurde eingestellt, der dem Landvolk den sparsamen und schonenden Einsatz von Pestiziden, Düngern und Gülle beibringen soll. „Nach anfänglichem Fremdeln arbeiten wir gut zusammen“, sagt Schoer. „Wir setzen auf langfristige Verhaltensänderungen und Gespräche. Verbote bringen nichts, dafür ist das Gebiet zu groß und nicht kontrollierbar“.

So überlegen die Wasserwerke zur Zeit, den LandwirtInnen Restbestände des extrem giftigen Atrazin abzukaufen. Obwohl das Herbizid seit Anfang der achtziger Jahre verboten ist, lagern noch etliche Säcke in den Scheunen. Die fachgerechte Entsorgung ist den Bauern zu teuer, also verklappen sie es auf den Äckern. Atrazin werde auch noch von der Farge-Vegesacker Eisenbahn eingesetzt, um die Eisenbahnbohlen zu säubern. „Ein großes Problem“, sagt Schoer.

Um die Errungenschaften im und um das Bremer Wasser auch den BürgerInnen nahe zu bringen, stellen Stadtwerke und BEB ihre Pumpen, Mikroben und Klärwerke en miniature in der unteren Rathaushalle bis zum 16. Juni aus. Interessierte können den gesamten Wasserkreislauf verfolgen und mit den BEB in die Tiefen des Kanalsystems steigen, wenn auch nur im Video. Ulrike Fokken

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