piwik no script img

Von Speiseeissorten und anderen erotischen Vorlieben Von Klaudia Brunst

„Ich will ja nicht klagen, Kinder“, stöhnte unsere Nachbarin letzten Samstag und ließ sich bräsig auf unser altersschwaches „Klippan“- Sofa fallen, „aber so ein Tiefdruckgebiet hätte jetzt auch was für sich!“ Dann strich sie mit den Händen erst über ihre schweißnasse Stirn und dann über unseren Sofabezug. Eine Geste, die meine Freundin nur mit einem strafenden „Typisch-deine-Freunde“-Blick in meine Richtung quittierte.

„Mir geht der Sommersmog auch gehörig an die Nerven“, meinte sie dann aber doch erstaunlich mitfühlend, erntete für dieses Entgegenkommen aber nur ein abfälliges „Scheiß aufs Ozon!“ – „Sie ist gerade solo“, versuchte ich das Mißverständnis aufzuklären, „und bei dreißig Grad im Schatten balzt es sich so schlecht, stimmt's?“

„Du hast es mal wieder erfaßt“, entgegnete meine Nachbarin und zog unsere Fernsehzeitung unter ihrem Hintern hervor. „Bei diesem Wetter mag man doch wirklich nix anpacken. Dabei würde ich so gerne...“ Während wir uns vielsagende Blicke zuwarfen, blätterte meine Nachbarin gelangweilt in der Funk-Uhr von nächster Woche – und stieß plötzlich einen ihrer gewohnt spitzen Schreie aus. „Welches ist dein Lieblingseis?“ kiekste sie – nun ganz aufgeregt – in meine Richtung. „Brauner Bär“, meinte ich etwas konsterniert über die abrupte Wende des Gesprächs. „Geht nicht!“ schüttelte sie den Kopf. „Du mußt ein Kugeleis sagen.“ „Ach so. Da esse ich am liebsten Kirsch!“ – „Hab' ich mir gedacht“, murmelte unsere Nachbarin und wandte sich meiner Freundin zu. „Walnuß“ anwortete die seufzend, „wenn ich nicht gerade beschlossen hätte, etwas mehr auf meine Bikinifigur zu achten.“ „Traurig, traurig“, entgegnete unser Besuch, „hätte gar nicht gedacht, daß bei euch im Bett so wenig läuft...“

Dann las sie uns mit erhobenem Zeigefinger die entscheidenden Passagen des Funk-Uhr-Eishoroskops vor: „Kirsch: Pflichtgefühl, Verantwortungsbewußtsein und Fleiß sind Tugenden, die Kirsch- Eis-Liebhaber prägen.“ In erotischer Beziehung herrsche bei den Kirscheis-Anhängern aber eine gewisse Zurückhaltung. Nur ein Stracciatella- oder Vanilleeis-Typ könnte sie aus der Reserve locken.

„Walnuß ist da nicht gerade die ideale Ergänzung!“ prustete die Nachbarin und fuhr unerbittlich fort: „Deren Familiensinn ist nämlich besonders stark ausgeprägt. In der Liebe geht es jedoch weniger stürmisch zu. Steht hier jedenfalls.“ Während wir noch auf der Suche nach einer passenden Antwort pikiert auf unsere Fingernägel starrten, klingelte es an der Tür. Mein schwuler Freund hatte dem Viktoriapark soeben einen erfolgreichen Besuch abgestattet. „Ich will ja nicht klagen, Kinder!“ meinte er und schmiß sich auch noch auf das Sofa, „aber ein paar Grad weniger würden so ein Singledasein doch angenehmer gestalten“.

Seit das Schwulenzentrum um die Ecke eingezogen ist, hat sich die Cruisingszene nämlich aus dem Tiergarten in den Viktoriapark verlagert, und jetzt kommt mein schwuler Freund gelegentlich auf einen „Kaffee danach“ bei mir vorbei. „Espresso gefällig?“ fragte ich, aber er schüttelte nur dankend den Kopf. „Der Typ heute war irgendwie so nett, da habe ich ihn noch auf ein Eis eingeladen.“ – „Ach!“ riefen wir alle drei wie aus einem Mund, „welche Sorte?“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen