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Stahlinismus Von Mathias Bröckers

Als ich im Februar 1988 über den Streik in Rheinhausen und die Irrsinns-Forderung „Erhalt aller Stahlstandorte!“ einen Kommentar schrieb, fiel mir als Überschrift „Stahlinismus“ ein. Der Begriff schien passend für den beinharten Kampf um Kohle und Stahl, den Gewerkschaften und Sozialdemokraten ohne Rücksicht auf ökologische Verluste führten: „Es gibt 100.000 sinnvollere Aktivitäten auf diesem Planeten als die Herstellung von gottverdammtem Krupp- Stahl. Findet sich in der ganzen Verteilungskampfarmee DGB denn keiner, der hinter seinem Funktionärsarschgesicht auch nur einen Gedanken entwickelt, der hinausgeht über das 150 Jahre alte Gezeter und Gezerre um die Herstellung von Edelstahlzahnstochern mit Sollbruchstelle zwecks Arbeitsplatzsicherung? Dient der ganze Auf-Ruhr letzlich nur dazu, das ruinierte Revier weiter herunterzubringen, einfach so, als ob nichts wäre und die Gründerzeit gerade erst angebrochen? Dräut nicht auch in Mordrhein-Pestfalen langsam ein Bewußtsein davon, daß jede Zechenschließung einen Segen für dieses gebeutelte Stück Erde und seine Bewohner bedeutet? (...) Aber nein, statt endlich mit ihm abzurechnen, predigt alles, was sich links, sozial, menschenfreundlich versteht sturheil den deutschen Stahlinismus. Man strickt am Mythos Arbeitsplatz und die grünen Arbeiter im Parlament tun so, als hätten sie von der Ruchlosigkeit dieser Denkungsart noch nie gehört.“

Aufgebrachte Unterstützer der „Kruppianer“ bestellten daraufhin ihr Abo ab, es hagelte bitterböse Briefe. Im April 1993, als an der Ruhr erneut um Kohle und Stahl „gekämpft“ wurde, fiel mir dazu wirklich nichts mehr Neues ein – und die Stahlinismus-Kritik wurde erneut abgedruckt. Jetzt, wo an Rhein und Ruhr um ein rot-grünes Modellbündnis gestritten wird und Kohle und Stahl zum Knackpunkt der künftigen Koalition werden, ist ein dritter Hinweis fällig. Denn an der Ruchlosigkeit der stahlinistischen Denkungsart hat sich in den letzten sieben Jahren nichts geändert. Im Gegenteil: neuere Daten über Klimaveränderungen durch CO2-Emission haben den Ernst der Lage noch verschärft. Angesichts dieser Situation weiterhin auf Kohleförderung zu beharren und einen Hochgradschwachsinn wie den Braunkohleabbau auf Biegen und Brechen zu verteidigen, grenzt in der Tat ans Pathologische. Sie sind vollständig irre geworden, die Sozis in NRW – und einen besseren Prüfstein für das reformerische Potential der „Grünen“ könnten wir uns gar nicht wünschen. „Kohle“ ist nicht nur das Synonym für den Aufstieg Deutschlands zum Industriestandort, sondern für Geld schlechthin, es ist die magische Formel des Dampfmaschinen-Zeitalters, die sich tief in Sprache und Denken eingegraben hat. Der Schornstein muß rauchen – davon hing für viele Generationen alle Zukunfte ab. Für uns und alle künftigen Generationen gilt das Gegenteil: Wenn wir fortfahren, die Atmosphäre in einen giftigen Backofen zu verwandeln, werden wir keine Zukunft haben.

An den Verhandlungen und der Koalition mit den vergangenheitsfixierten und zukunftsblinden Stahlinisten wird sich weisen, ob die Grünen die Kraft zur ökologischen Wende haben — oder nur das Zeug zum Öko-Möllemannismus.

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