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■ Kohl trifft ArafatDie deutsche Verantwortung

An den Besuch Helmut Kohls in Israel und den palästinensischen Gebieten werden hohe Erwartungen geknüpft, vor allem seitens der Palästinenser. Der Kanzler weiß, daß der mit Oslo initiierte mühsame Weg in Richtung Frieden großer Finanzmittel bedarf. Direkthilfen, wie Ausbildungsprojekte für die in den Autonomiegebieten tätigen Verwaltungsbeamten sowie für Journalisten zeugen von der Bereitschaft zur Unterstützung, bislang aber auch von der Geringfügigkeit der eingesetzten Mittel. Angesichts der alarmierenden Situation in den palästinensischen Gebieten ist das zuwenig. Die soziale und ökonomische Situation im nunmehr autonomen Gaza-Streifen und in Jericho (wie auch in der immer noch besetzten Westbank) ist längst an einem kritischen Punkt angelangt und wird zunehmend zu einem politischen Faktor, der den „Friedensprozeß“ insgesamt in Frage stellt.

Allein im autonomen Gaza-Streifen leben heute 900.000 Menschen – die Hälfte davon unter 15 Jahren. Bis zum Jahr 2000 wird sich diese Zahl verdoppeln. Bei einer Arbeitslosenrate von nahezu 60 Prozent ernährt ein Erwerbstätiger in Gaza an die zehn Familienangehörige. Ihren Lebensunterhalt – wie noch unter der Besatzung – in Israel zu verdienen ist den Palästinensern mit der seit Januar andauernden totalen Blockade größtenteils versagt. Die palästinensische Wirtschaft, die über Jahrzehnte der Okkupation stranguliert wurde, hat sich seit der Autonomie nicht so rasant entwickeln können, daß diese neuen Arbeitslosen ins eigene System integriert werden könnten. Allein der Gaza-Streifen benötigt heute 100.000 Arbeitsplätze und weitere 10.000 jedes Jahr für die Schulabgänger. Für die palästinensische Führung messen sich Stabilität und politische Entwicklung an der Fähigkeit, den Aufbau für die Menschen sichtbar und spürbar zu machen – und dazu braucht sie dringend die internationale Unterstützung.

Die Bereitschaft dazu hat die internationale Gemeinschaft in Oslo und mehr noch mit dem Kairoer Abkommen signalisiert. Multilaterale und bilaterale Mechanismen sind etabliert – nun müssen Probleme überwunden und die Versprechungen wahr gemacht werden, weil der „Friedensprozeß“ nur dadurch am Leben erhalten werden kann. Die Bundesrepublik trägt im Rahmen der internationalen Gemeinschaft ihre eigene Verantwortung. Bleibt zu hoffen, daß der Kanzler bei seinem heutigen Treffen mit Jassir Arafat in Jericho den hohen, aber gerechtfertigten palästinensischen Erwartungen im wahrsten Sinne des Wortes Rechnung trägt. Katrin Martens

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