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Aufhebung des Waffenembargos verheerend

■ Außenminister Klaus Kinkel, gerade zurückgetreten als FDP-Vorsitzender, über den Beschluß der Partei, gegen seinen erklärten Willen das Waffenembargo gegen Bosnien aufzuheben

Auf dem FDP-Parteitag wurde auch über die von der FDP verantwortete Außenpolitik diskutiert. Ein Schwerpunkt dabei war die Situation in Bosnien. Gegen den Willen von Außenminister Klaus Kinkel verabschiedete der FDP-Parteitag dabei eine Entschließung, in der die Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien gefordert wird. Die von den Jungen Liberalen eingebrachte und von Graf Lambsdorff unterstützte Entschließung geht davon aus, daß der UN-Einsatz in Bosnien gescheitert ist und die dort stationierten Blauhelmtruppen zurückgezogen werden sollten. Obwohl Kinkel die Delegierten beschwor, von einer solchen Geste Abstand zu nehmen, stimmte die Mehrheit für den Beschluß.

taz: Herr Kinkel, warum haben Sie sich so vehement gegen die Aufhebung des Waffenembargos ausgesprochen?

Klaus Kinkel: Ich war von Anfang an aus moralisch-ethischen Gründen auf der Seite derer, die gesagt haben, wenn ich den Menschen in Bosnien schon nicht helfen kann, soll man sie wenigstens in die Lage versetzen, daß sie sich selbst helfen können. Ich war damit lange Zeit ganz nah an der US- Position. Dann haben unsere europäischen Partner, insbesondere die, die Tausende von Soldaten vor Ort haben, gesagt: Um Gottes willen, die Aufhebung des Waffenembargos würde für unsere Soldaten eine schreckliche Situation bedeuten. Eben weil wir keine Soldaten dort haben, hatte die Bundesregierung keine Möglichkeit, aus dem Freundeskonvoi auszuscheren. Das hat alle Welt verstanden, und dabei ist es bis heute geblieben.

Jetzt hat sich die Situation in Bosnien aber doch geändert ...

Eben, sie hat sich geändert in einer Weise, die eine Aufhebung des Waffenembargos noch viel fragwürdiger macht als zuvor. Mit Ausnahme von Senator Dole und ein paar anderen Politikern in den USA gibt es ja praktisch niemanden mehr, der sagt, wir sollten das Embargo aufheben. Diese Auffassung habe ich vertreten, und Lambsdorff und die Jungliberalen haben aus Gründen, die ich verstehen kann, eine andere Auffassung. Ich habe gesagt, beschließt es nicht, weil es international keinen Sinn macht. Der Parteitag hat es dennoch beschlossen.

Tatsächlich ist doch aber abzusehen, daß der Friedensprozeß in Bosnien nicht vorankommt, weil es keinen Friedensplan gibt, der für alle Konfliktparteien zustimmungsfähig ist.

Natürlich gibt es einen Friedensplan, der zustimmungsfähig ist. Herr Karadžić, der Führer der bosnischen Serben, hat sich, gerade in den Tagen der totalen Isolierung, da schon ein bißchen bewegt. Sie wissen doch auch, daß wir schon einige Schritte vorangekommen sind. So kurz vor dem Ziel dürfen wir die Hoffnung doch nicht aufgeben. Eine Aufhebung des Waffenembargos in dieser Situation wäre verheerend.

Beeinflußt der Parteitagsbeschluß ihre künftige Arbeit?

Überhaupt nicht. In dem anderen Parteitagsbeschluß, der von mir formuliert wurde und der ohne Widerspruch durchging, steht unsere Linie drin. Jetzt steht ein zusätzlicher Satz drin, der besagt, wenn diese Politik innerhalb einer bestimmten Frist scheitert, sollte das Waffenembargo aufgehoben werden. Glauben Sie im Ernst, daß die Weltpolitik sich danach richtet, was hier beschlossen worden ist? Schön wär's. Ich werde trotz eines Parteitagsbeschlusses der FDP kaum die Möglichkeit haben, in dieser Frage auszuscheren.

Herr Kinkel, warum, glauben Sie, sollten die Serben einen Unterschied machen zwischen deutschen Tornados und deutschen Soldaten, die am Boden kämpfen?

Wir machen unsere Politik nicht im Hinblick auf mögliche Reaktionen der serbischen Seite, sondern so, wie wir sie für richtig halten. Die Beschlußlage in der Koalition war so, daß wir gesagt haben, beim Abzug wollen wir helfen, und zwar mit Sanitätern, Transportkapazitäten und Tornados. Nachdem der Abzug jetzt nicht in Frage kommt – der ja zwingend wäre, wenn man das Waffenembargo aufhebt –, haben wir gesagt: Wenn umgruppiert wird, wollen wir auch helfen. Das muß aber noch im Kabinett und Bundestag beschlossen werden.

Offenbar unterstützt Serbiens Präsident Milošević den Plan der Kontaktgruppe inzwischen aktiv.

Milošević hat den Plan der Kontaktgruppe längst angenommen. Alle Parteien mit Ausnahme von Karadžić haben ihn akzeptiert.

Sie setzen also darauf, daß Milošević dafür sorgt, daß auch Karadžić den Plan annimmt?

Wir setzen darauf, daß wir durch die Trennung zwischen Milošević und den Pale-Serben eine Chance haben, daß Karadžić einsichtig wird. Interview: Jürgen Gottschlich

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