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Verliebt, verlobt – verheiratet?

■ Kirchentag: Auch lesbische und schwule Paare wollen den kirchlichen Segen: „Spießig“ contra „Recht auf Rituale“ / Konservative Theologen zucken erschrocken zurück Von Silke Mertins

Die Liebe fürs Leben gefunden zu haben ist für die Kirche normalerweise eine große Sache: Im weißen Fummel wird dieser Glücksfall bei den Ja-Wort-Geberinnen zelebriert, in schwarzem Schick kommt der Bräutigam daher, an Blumenmassen, Freßgelagen und Schampus wird mitnichten gespart. Und wem am „schönsten Tage“ noch ein Einwand gegen die Eheschließung einfällt, kann das junge Paar gleich in der Kirche vor Dutzenden von Zeugen blamieren.

Was haben wir alle geschnieft bei Lady Di, damals, heimlich oder unheimlich, weil eigentlich findet der aufgeklärte Mensch die Ehe an sich ja blöd und altmodisch und überhaupt. Wär da nicht dieser unbändige Drang, nicht ohne Rituale durchs Leben gehen zu wollen. Nicht nur wegen der Geschenke. Man und frau möchte doch auch mal vor allen Leuten so richtig laut „Ich will“ sagen, wegen der Liebe und allem und der gerührten Eltern und der Glückstränen und der krummen Verwandtschaft.

Wenn die Liebe aber dorthin fällt, wo sie nach kirchlichen Vorstellungen eigentlich nichts zu suchen hat, nämlich aufs eigene Geschlecht, ist die pastörliche Freude nicht gar so üppig. Verliebte homoerotische Blicke auf der letzten Kirchenbank, gut, das nimmt man gerade noch hin. Aber ein Liebes- und Treuegelöbnis vor aller Christenheit Augen – das geht bisher nur in Holland oder Dänemark, wo man bekanntlich schneller die konservativen Hüllen fallen läßt.

Von Heirat ist vorsichtshalber gar nicht die Rede, nur vom kirchlichen Segen

Mit der Talkshow „Gottes Segen nicht für alle?“ fällt am 16. Juni der lesbischwule Heiratsgedanke über den Kirchentag her. Hamburgs Geistlichkeit ist schon im vorhinein erschrocken zusammengezuckt. Dabei ist es nur ein bißchen Gleichberechtigung, was die paar homosexuellen KirchgängerInnen, die die Kirche noch nicht vergrault hat, verlangen. Vom „Segen der Kirche“ und nicht von Heirat ist da vorsichtshalber die Rede.

Für die Möglichkeit, „vor Gott und der Gemeinde zu bezeugen, in Liebe miteinander leben zu wollen“, setzt sich auch Elisabeth Lingner ein, Präsidentin der nord-elbischen Synode, des „Kirchenparlaments“. Aber: „Die Eheschließung ist eine besondere Form“ und deshalb nur für Heterosexuelle, lehnt Lingner sich nicht allzu weit aus dem Fenster.

Segen hin, Heirat her, der Hamburger Pastor Ulrich Rüß – Chef der konservativen „Kirchlichen Sammlung um Bibel und Bekenntnis“ – sprach der vorlauten Synodenpräsidentin das Rederecht ab. Und angesichts der fortschreitenden homosexuellen Unterwanderung der heiligen Kirche mußte sich dann auch Professor Ulrich Wilckens, Bischof a.D., in die Debatte einschalten: „Sowohl als öffentlich-gottesdienstlicher wie auch als häuslich-seelsorgerischer Akt“ sei es der Kirche verwehrt, einen solchen Segen auszusprechen.

Der konservativ-klerikale Alptraum, bald eine Flut homosexueller Paare kirchlich segnen zu müssen, ist allerdings ohnehin unbegründet. „Das Thema ist gar nicht von Schwulen und Lesben selbst eingebracht worden“, sagt Pastor Horst Gorski. Mangels Masse. Es wäre „ein längerer Prozeß“, die bisher nicht gerade mit christlicher Nächstenliebe verwöhnten Homosexuellen überhaupt wieder für die Kirche zu interessieren.

Zwar gab es hier und da und auch in Hamburg bereits PastorInnen, die lesbische und schwule Paare gesegnet haben. Doch der Gedanke, sich kirchlich-öffentlich in wie auch immer gearteter Form das „Ja-Wort“ zu geben, ist durchaus auch unter den Betroffenen selbst umstritten. Irgendwie „spießig“ findet es Sabine Fröhlich von „Lesben und Kirche“, daß sich das Thema medienwirksam in der Kirche anbahnt.

Schwulsein und kirchliches Engagement dürfen sich nicht länger ausschließen

„Wir wollen das machen dürfen, was für alle anderen auch selbstverständlich ist“, fordert hingegen Reinhard Schünemann von „Homosexuelle und Kirche“. Ihm ist es ein Herzenswunsch, daß „Schwul-sein und kirchliches Engagement sich nicht ausschließen“. Einigen gläubigen Paaren sei es eben einfach wichtig, sich nicht nur unter vier Augen ewige Treue zu schwören, sondern „vor anderen zu bezeugen, daß man zusammenbleiben will“, und auch daran erinnert zu werden, wenn's denn doch mal kriselt.

„Ich würde mir von der evangelischen Kirche eine Vorreiterrolle wünschen“, so Schünemann. „Nirgendwo werden unsere Partnerschaften anerkannt, die Kirche könnte da ein Schutzraum sein.“

Fromme Wünsche und ein Appell ans kirchliche Rückgrat. Wahrscheinlich wird man aber die dänischen und holländischen Reform-ChristInnen um Entwicklungshilfe für die evangelische Kirche in Deutschland bitten müssen, damit es noch in diesem Jahrtausend etwas wird mit dem kirchlichen Coming out.

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