: Vorschlag
■ Schwyzer Jungfern: Die Acapickels in der UFA-Fabrik
Schmerz laß nach. Lachmuskelphysiopraktisch gesehen sind die Acapickels eine eindeutige Überbeanspruchung. Bereits vor der Pause liegen die Gesichtsmuskeln gestreßt im Gesicht, das Publikum tobt, der Saal bebt unter dem Getrampel, während ein Brüller nach dem anderen sacht und leise von der Bühne herunterpurzelt. Recht linkisch und schüchtern geben sich die vier Damen, die sich „die einzig wahre heart-chor band“ nennen. Zur Abrundung der Gesangsshow mit Texteinlagen bringt jede ihr ganz eigenes Talent mit ein. Barbara Hutzenlaub bewegt sich unvergleichlich – wie eine Schlaftablette, die sich in einer Bohnenstange aufgelöst hat. Das choreographische Talent von Helga Schneider orientiert sich streng an der Linie längs der Bühne. Die Vollblut-Soulistin Hildegard wiederum hat ihre Schminkkunst im Wochenendkursus verfeinert und bedient nun sämtliche Farbtöpfe aufs kräftigste. Juliette Blamage hingegen sorgt musikalisch für die französische Note und belegte außerdem einen Lehrgang im Slapstick.
In drolligstem Schwyzerdütsch schlägt das Zünglein der Acapickels, manchmal blinkert auch die Schwäbische Alb durch. Kein Wunder, daß sich immer wieder Juchzer und Jodler in die A-Capelladen einschleichen. Die schönste darunter mag wohl die vom „Zürachrch Lettenbrückrchli“ sein, wobei das dortige „Diabetikerproblem“ durchaus in harmonischer Verbindung zum traditionellen Zungensalto steht.
Unschuldig bis in die Haarspitze jodeln die Alpenschwestern das Alphabet der Opiate herunter. Entwaffend offen reden sie auch über ihre Probleme, die vor allem um das Nichtvorhandensein von Männern kreisen, weswegen diverse therapeutische Ausdiskutierrunden und Bastel-dich-frei-Clubs besucht wurden. Jetzt reden sie auch über die Menstruation und „Proschtata“. Vor allem aber können sie männliches Brunftgehabe nun dermaßen ungehobelt imitieren, daß frau fortan eigentlich immer abstinent bleiben sollte.
Zugegeben: Das „Olle-Jungfer“-Rezept ist einfach und altbekannt. Selten jedoch gelingt eine solch liebevolle und doch bissige, bis ins Detail perfekte Parodie, die sich gesanglich auf höchstem Niveau bewegt. „Ziemlich authentisch“ fand mein Begleiter dieses Jungferntum eingedenk alter Fotos seiner Tante. Besonders weil die vier uns keinen auch noch so winzigen Blick auf ihre wahren Ichs gönnen, so sicher vakuumdicht eingepackt sind ihre Bühnenjungfern. Petra Brändle
Bis 25. 6., Mi.–So. 21 Uhr, UFA-Fabrik, Viktoriastraße 10-18, Tempelhof
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