: Vorschlag
■ Chris Lynam & The Popcorn Club im Tränenpalast
Chris Lynam, ein kleiner Mann mit mächtiger Sturmfrisur, betritt die Bühne und fragt erst einmal das Publikum, ob es denn auch Englisch verstehe. Nach einem etwas schlaffen „Ja“ aus dem Auditorium beschwichtigt der Londoner Komiker die Leute: „That doesn't matter, this show is very stupid. There's nothing to understand.“ Im Zweifelsfall hilft er dem zaghaften Publikum auf die Sprünge und erklärt nach seinen schrägen Geschichten, die auch schon mal im Kampf mit einer wildgewordenen Plastiktüte gipfeln können: „That was a joke!“ Die Überwindung von Sprachbarrieren ist ohnehin ein erklärtes Ziel des Komikers: So sucht er immer wieder nach deutschen Entsprechungen einzelner Wörter. Am Ende kommt er zu dem Resultat: „German is such a sexy language!“ Schließlich holt er seine fünfköpfige, blasmusiklastige Kapelle aus einer Kiste. Besonders bemerkenswert: die zierliche Sängerin Kate McKenzie, die zunächst einmal – von nur drei Akkorden eines schmachtenden Susaphons begleitet – eine schmalzige Opernarie zum Besten gibt. Doch der Abend wird noch lang, und das Publikum soll im Verlauf des knapp dreistündigen Programms, das eine temporeiche Mischung aus Parodien, Akrobatik, Slapstick, Sketchen und Musik bietet, kaum zur Ruhe kommen. Nein, dem Zuschauer wird hier bloß das Popcorn geschenkt. Ständig wird irgendein armer Teufel aus den mittlerweile geduckten Zuschauerreihen auf die Bühne geholt und dazu genötigt, sich auszuziehen oder wenigstens seine Schuhe zu opfern. Unter charmanter Anleitung der Band muß jeder mal ein Lied singen. Sich zieren gilt nicht – sonst fliegt schon mal ein rohes Ei durch den Saal!
Nicht nur Musiker an der Leine schweben hin und wieder über der Bühne, sondern vor allem stechender Schwefelduft. Chris Lynam verfügt anscheinend nicht nur über eine ausgeprägte Affinität zu Frauenkleidern, sondern auch zu Feuerwerkskörpern. Zum Höhepunkt des Abends läßt der kleine, gut gebaute Comedian zur Freude aller „Damens and chickens“ die Hüllen fallen, um sich einen Silvesterknaller in den Allerwertesten zu schieben und dort abzufackeln. Kirsten Niemann
Chris Lynam & The Popcorn Club, tägl. außer Mo, 21 Uhr (nicht am 22., 23. und 24. 6.), Tränenpalast, Reichstagufer 16, Mitte.
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