: Dokumentation aus dem HBS-Gutachten über den Bremer Staatsbetrieb
Als Ralf Fücks 1994 noch als Umweltsenator öffentlich erklärte, die Stadtwerke könnten rentabler arbeiten, gab es wütende Reaktionen. Seit Monaten wird der drei Aktenordner umfassende Gutachterbericht der Münchener Unternehmensberatung HBS unter Verschluß gehalten - nicht einmal der Stadtwerke-Aufsichtsrat hat sie bisher bekommen.
Im Februar sickerten erste Details dieser Untersuchung durch (vgl. taz 23.2. und 6.3.), Betriebsrat und der verbliebene Stadtwerke-Vorstand Willipinski, früher ÖTV-Chef, wollten die Sanierung selbst in die Hand nehmen. Der taz liegt nun das HBS-Dokument vor - eine in jeder Hinsicht traurige Bilanz. 100 Millionen mehr Gewinn könnten die Stadtwerke erwirtschaften, sagen die Gutachter.
Die logische Konsequenz: Wenn die Stadtwerke rentabel geführt worden wären, müßten sie aus fiskalischen Gründen jedenfalls nicht verkauft werden. Die Versuche des Betriebsrates, selbst eine Unternehmensreform einzuleiten, stellen nach Ansicht der HBS Tabus und Gewohnheiten nicht infrage. Wir dokumentieren Ausschnitte:
Die Stadtwerke Bremen haben in den letzten Jahren den Umsatz real nicht steigern können. Ergebnisqualität ist mit 2,6% unterdurchschnittlich. Vergleichsunternehmen liegen bei 2,7 bis 11,2%. Über die Jahre ist es nicht gelungen, die Ertragsqualität zu verbessern. Der Wandel zum Dienstleister ist nicht vollzogen!
Produktivitätsfortschritte sind nicht realisiert worden. Trotz der marktbeherrschenden Stellung haben die Stadtwerke keine „Kriegskasse“ anhäufen können, um diese gezielt in die Unternehmensentwicklung zu investieren. Stattdessen sind die Investitionen nicht nach wirtschaftlichen Mindestrenditeaspekten vorgenommen worden.
Kostentreibende Faktoren sind die Mitarbeiteranzahl, die relativen Lohn- und Gehaltserhöhungen sowie die Auszahlungen an Pensionäre. Personalkosten sind explodiert. Insbesondere hat sich das Verhältnis von Gehaltsempfängern zu Lohnempfängern verschlechtert. Als erzeugendes Energieversorgungs-Unternehmen ist diese Relation eindeutig ein Zeichen extremer Kopflastigkeit. Der Anteil der Personalaufwendungen am Umsatz liegt bis zu dreimal so hoch wie bei vergleichbaren Unternehmen. Gemessen am Durchschnitt der Vergleichsunternehmen müßten die Stadtwerke Bremen zur Erreichung einer wettbewerbsfähigen Personal-Aufwands-Effizienz entweder den Aufwand um 100 Millionen Mark senken oder aber den Umsatz um ca. 800 Millionen Mark steigern!
Auch die Verwaltungskosten anderer kommunaler EVU liegen im Vergleich bis zu einem Drittel unter den Verwaltungskosten der Stadtwerke Bremen. Die Betriebs- und Unterhaltungskosten der Stadtwerke Bremen für das Leitungsnetz Elektrizität liegen höher als bei allen Wettbewerbern im Vergleich.
Aufgrund der Rahmenbedingungen kann der vom Markt ausgehende Wettbewerbsdruck nicht aufgenommen werden, weil die Stadtwerke Bremen zu tief funktionell zersplittert sind und keine ausreichende Gesamtsicht/Verantwortung für die Leistungs-/Serviceerstellung vorhanden ist. Die Entscheidungsfreude ist gering, die Entscheidungsprozesse sind langwierig und quälend. Fehlende Führungs- und Steuerungsinstrumente verhindern eine Kostentransparenz. Dieser Kreis muß durchbrochen werden. Die Stadtwerke beschäftigen sich zu stark mit sich selber und blicken zu wenig in die Zukunft. Zwischen den Kaufleuten und der Technik herrschen kulturelle Gräben und tiefes Mißtrauen. Es fehlt ein gesamtunternehmerisches „Wir-Gefühl“. Aus eigener Kraft scheint der Vorstandskreis der Stadtwerke nicht in der Lage zu sein, die kostenseitig erforderlichen Verbesserungen zu realisieren.
Die internen Kostenoptimierungen scheinen an ihre Grenzen zu stoßen, obwohl über eine „kostenseitige Selbsttherapie“ ein nicht vernachlässigbares Potential von 259 Mitarbeitern und 28,6 Millionen Mark aufgezeigt wurde, die aber auf einer Vielzahl von Voraussetzungen basieren, die eine kurzfristige Realisierbarkeit ausschließen bzw. aufgrund der „Entscheidungsunsicherheit“ zu versanden drohen. Zwei Drittel der identifizierten Potentiale sollen erst mittelfristig realisiert werden. Scheinbar ist der Leidensdruck noch nicht verinnerlicht. Wenn nicht an grundsätzliche Tabus und Gewohnheiten herangegangen wird, ist eine organisatorische Verkrustung nicht zu stoppen.
Sowohl bei Urlaubsstunden als auch bei Krankheitsstunden liegen die Stadtwerke Bremen im Wettbewerbsvergleich deutlich über dem Durchschnitt. Das bedeutet eine geringere Produktivität von umgerechnet sechs Tagen je Mitarbeiter. In Sachen Fortbildung erlauben sich die Stadtwerke ein sehr hohes Kostenniveau. Dieser hohe Ausbildungsstand spiegelt sich heute nicht in der Produktivität wieder. Trotz der relativ (vermuteten) geringen Produktivzeiten liegen die Überstunden der Stadtwerke sehr hoch im Branchenvergleich. Das läßt Mängel in der Arbeitsorganisation vermuten.
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