■ Mit den Koalitionären auf Du und Du: Bekommt die CDU das Wirtschaftsressort?
„Das wissen nur zwei: Scherf und Nölle“, dies ist einer der häufigsten Sätze, die in diesen Tagen auf Fragen nach den voraussichtlichen Ergebnissen der Koalitionsvereinbarungen gegeben werden. Die Kernfrage: Bekommt die CDU auch das Wirtschaftsressort? Henning Scherf, so hatte der engste Kreis der SPD-Koalitionsverhandler in der „Reederei“ Mitte der Woche den Eindruck, sei durchaus geneigt, ihr dies zuzugestehen. Aber rechte wie linke Sozialdemokraten protestierten: Sollen die Milliarden des Sonderinvestitionsprogramms aus CDU-Hand verteilt werden? Kommt nicht die SPD in die Zange, wenn die CDU über Wirtschaft und Finanzen gebietet? In CDU-Kreisen kursiert schon das Gerücht, Scherf habe dies mit Nölle so vereinbart. Denn erstens müßte die SPD nur Beckmeyer bedienen, wenn sie das Wirtschaftsressort bekäme, zweitens würde die CDU, wenn die Wirtschaft nicht bekäme, nach Scherfs Bildungsressort greifen, und das möchte er doch in den vertrauten Händen der Bringfriede Kahrs wissen.
Die Senatorinnen Uhl und Lemke hat Scherf schon zu Gesprächen unter vier Augen geladen, um ihnen mit zerfurchtem Gesicht zu eröffnen, daß die Zahl der SPD-Posten im Senat äußert klein sei... Platz entsteht so für Tine Wischer.
In der CDU gibt es keinen „engsten Kreis“, vor dem die Verhandler Nölle/Neumann immer den neuesten Stand ihrer Rivalitäten ausbreiten. Will Neumann jemanden von außerhalb Bremens holen, weil sein Getreuer Pflugradt beim besten Willen nicht senatorabel ist? Wen hätte die Bremer CDU für das Bauressort anzubieten, wenn Kudella partout nicht will?
Kein Problem scheinen die Sachfragen zu sein. „Die CDU war einfach auf Koalitionsverhandlungen nicht vorbereitet, spottet ein hoher SPD-Mann. Und so streitet sich die große Koalition um dieselben Fragen, um die die Ampel gerungen hatte: Soll es Krabbelgruppen in den Kitas geben? Bleibt der Gymnasien-Torso in Obervieland? Darf das Sek-II-Zentrum Huckelriede wieder Gymnasium werden? Lang wird die Liste der Prüfaufträge werden, mit denen die Koalitionäre ihre Vereinbarung je unterschiedlich interpretieren können, die aber Bremen nicht verändern.
Über die meisten Politikfelder wird dabei im Koalitionsprogramm keine klare Aussage stehen. In den Arbeitsgruppen konnten sich die Fachleute in den meisten Fragen nicht einigen, am Wochenende wird das unter den Nicht-Fachleuten um so schneller gehen, weil dann einfache Händel gemacht werden können: Kriegt die CDU dies (Zuschüsse zu den Privatschulen werden nicht gekürzt), kriegt die SPD das (70 Millionen zur Asbestsanierung der Gesamtschule West). Was kriegt die SPD dafür, wenn sie der CDU-Forderung „Bezahlung der ABM-Stellen unter Tarif“ zustimmt? Kann die Bitter-Trasse (CDU-Forderung), die sowieso nicht bezahlbar ist, gegen die SPD-Forderung „Verkehrsberuhigung Martinistraße“ gehandelt werden?
Einig waren sich CDU- und SPD-VertreterInnen in jeder der Arbeitsgruppen: Die groß angekündigten Einsparungen müssen in den Politikfeldern der anderen Arbeitsgruppen erbracht werden. Kein Denken daran, insbesondere nicht in den großen Ausgaben-Blöcken des Sozial- und Bildungsressorts. Selbst Neueinstellungen von Lehrern wird es geben – mit Bernd Neumanns Zustimmung .
K.W.
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