: WG der besonderen Art für vertriebene Kids
■ Dritte Jugendwohngemeinschaft für Flüchtlinge öffnet in Neukölln
Sporttasche, Jeansjacke, ein Walkman, eine Plastiktüte mit Shampoo und Seife: Das gesamte Hab und Gut der 16jährigen Äthiopierin in dem leeren Zimmer, in dem sie seit zwei Tagen wohnt, ist nicht mehr als ein kleines Häufchen. „So kommen die meisten bei uns an“, sagt Siegfried Pöppel von Projekt Internationales Jugendwohnen in Berlin (IJB)/ WeGe ins Leben e. V.
Die hier allein ankommen, sind unter achtzehn Jahren und weit weg von einem Zuhause, das in Kriegs- oder Krisengebieten liegt. Weil sogenannte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zumeist in anonymen Massenquartieren untergebracht werden, in denen sie kaum betreut werden, versuchen die Projektträger IJB und WeGe dem etwas entgegenzusetzen: In Neukölln wurde nun die dritte Jugendwohngemeinschaft in ihrer Trägerschaft eingeweiht.
Sechs junge Flüchtlinge beziehen gerade ein Haus in Bukow. „Mit dem Haus hatten wir wirklich Glück. Meistens sind die Vermieter zwar aufgeschlossen, wenn sie hören, daß ein Haus vom Senat gemietet werden soll, aber wenn wir ihnen sagen, daß dort Flüchtlinge wohnen werden, dann machen sie einen Rückzieher“, klagt Pöppel.
Zum Einweihungsfest mit Speisen aus aller Welt waren auch alle Nachbarn eingeladen, doch niemand kam. „Die Leute hier sind freundlich, aber die Schwelle zum direkten Kontakt ist wohl noch zu groß“, vermutet der Pastor Reinhart Kraft von der evangelischen Kirchengemeinde Neu-Buckow. Er hatte wie viele Institutionen der Stadt einen Brief erhalten, in dem die Projektträger um Wohnraum baten, und sich daran erinnert, als ein Pfarrhaus frei wurde.
Die Jugendlichen sind mit dieser Art der Unterbringung zufrieden. Der 19jährige Emirie Driton aus dem Kosovo erzählt aus dem Alltag seiner Wohngemeinschaft in Neukölln: „Wir sind glücklich, so wohnen zu können. Ich habe vorher neun Monate in einem unerträglichen Heim gelebt.“ Daß die Jugendlichen alle aus unterschiedlichen Ländern kommen, ist nach seiner Erfahrung kein Problem. „Es gibt bei uns die gleichen Schwierigkeiten wie in anderen WGs auch, zum Beispiel mit dem Abwaschen“, sagt Driton.
Doch auch die gute Unterbringung der Jugendlichen kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Jugendlichen auch in Berlin mit der ständigen Angst leben müssen. Alle sechs Monate wird ihr Aufenthalt verlängert – oder eben nicht. Ina Rust
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