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■ Ein Jahr Bundespräsident Roman HerzogEntkrampf = Endkampf?

Im ersten Jahr seiner Amtszeit hat sich Bundespräsident Roman Herzog immer wieder gern über den Einsatz von „hard power“ und „soft power“ in der Welt geäußert. Angesichts des heute vom Bundestag abzusegnenden ersten Kampfeinsatzes der Bundeswehr seit Weltkrieg II bekommen all diese Zitate eine neue, geradezu brennende Aktualität:

1. „Unser Jüngster hat mit neun Monaten angefangen zu laufen. Aber mit neun Monaten ist ein Kind für Warnungen überhaupt noch nicht aufnahmefähig. Das kann sich gar keiner vorstellen, was der alles kaputtgeschlagen hat! In der Wohnung meiner Schwiegereltern stand eine schwere, schmiedeeiserne Lampe. Er spielte an der Lampe rum, hob sie hoch. Ich warnte ihn: ,Laß die Lampe in Ruh', das ist zu gefährlich. Wenn die auf die Füße fällt, sind die Knochen kaputt.‘ Und der schmeißt sie wirklich runter. Da mußte er natürlich eine hinter die Löffel kriegen. (...) Es ist einfach so: In diesem jungen Alter kann man einem Kind einfach nicht mit Verstandesargumenten kommen – das Hirn ist noch nicht soweit, aber die Beine sind es allerdings.“ (Roman Herzog. Der neue Bundespräsident im Gespräch“, Bastei-Lübbe, 1994)

2. „Ich will in den kommenden fünf Jahren Deutschland so repräsentieren, wie es wirklich ist: friedliebend, freiheitsliebend, leistungsstark, um Gerechtigkeit zumindest bemüht, zur Solidarität bereit, tolerant, weltoffen und – was mir fast das Wichtigste erscheint – unverkrampft. (...) Dieses Deutschland muß in der Welt seine Rolle spielen, aber unverkrampft und ohne gefletschte Zähne.“ (Rede nach seiner Wahl am 23. Mai 1994)

3. „Es ist ja kein Geheimnis, daß diesem wiedervereinigten Deutschland, wenn es seine inneren Schwierigkeiten erst einmal überwunden haben wird, in Europa nach Bevölkerungszahl und Sozialprodukt besondere Bedeutung zukommen wird, und daß auch seine Verantwortung in der Weltpolitik zunehmen wird.“ (Antrittsrede am 4. Juli 1994)

4. „,Soft power‘, die Macht der Argumente, der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemlösungen, tritt in Konkurrenz zur ,hard power‘, der Macht im klassischen Sinne, die nur in Territorien, Bevölkerungszahlen, Armeen und Flotten denken konnte. Daß das gerade für Deutschland eine Chance ist, müßte auf der Hand liegen! Jetzt kommt uns zugute, daß die Bonner Republik vierzig Jahre lang ihren Ehrgeiz nicht in die Wiedererlangung eines militärischen Großmachtstatus, sondern in eine produktive und stabile Wirtschaft und Gesellschaft gesetzt hat.“ (Rede vorm DIHT- Kongreß am 18. Oktober 1994)

5. „Natürlich können wir auf ,hard power‘ nicht ganz verzichten. Wir brauchen sie, um gegen Völkermord, Aggressionen und Erpressungen gewappnet zu sein. (...) Der wirtschaftspolitische und moralische Einfluß Deutschlands wird immer stärker und wirksamer sein als das militärische Potential der Bundeswehr. Beides haben wir – wenn unumgänglich – im Interesse des internationalen Friedens einzusetzen. Die Qualität unseres Engagements muß unserem gewachsenen Gewicht entsprechen, sonst nimmt uns in der Welt auf die Dauer niemand mehr ernst.“ (Rede vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik am 13. März 1995)

6. „In einer kleiner werdenden Welt, in der Chancen und Risiken sich gleichermaßen globalisieren können, wird auch die Globalisierung der deutschen Außenpolitik unvermeidlich sein. (...) Das Ende des Trittbrettfahrens ist erreicht. Deutschland gehört zum Konzert der großen Demokratien, ob es will oder nicht, und wenn eine dieser Demokratien beiseite steht, schadet sie unweigerlich nicht nur den anderen – sondern letztlich auch sich selbst. (...) Was sind eigentlich deutsche Interessen? Deutsche Interessen, das sind zunächst unsere unmittelbaren nationalen Interessen wie Sicherheit und Bewahrung von Wohlstand. Es hat keinen Sinn, das verschweigen zu wollen. Unsere Partner würden uns ohnehin nicht glauben, daß wir nur internationalen Altruismus im Schilde führen. Ganz besonders verlangt es die Wahrhaftigkeit, zuzugeben, daß wir auch deshalb für weltweite Freiheit des Handels eintreten, weil das in unserem eigenen Interesse liegt. (...) Und wenn wir nicht Objekt der weltpolitischen Entwicklung werden wollen, müssen wir als Subjekt der Weltinnenpolitik handeln. Diese Interessen anzuerkennen, heißt natürlich auch, die Folgen daraus ehrlich zuzugeben, also zum Beispiel, daß dafür materielle Lasten übernommen werden müssen; daß aber das Scheckbuch nicht immer ausreicht, sondern daß möglicherweise auch einmal der Einsatz von Leib und Leben gefordert ist. Dazu gehört aber auch, daß es in Fragen von nationaler Bedeutung kein parteipolitisches Klein-Klein geben darf und daß darüber nicht nach Kassenlage, nach dem politischen Meinungsbarometer, auf Parteitagen oder durch Gerichte entschieden werden kann. (...) Wir sollten uns nicht wichtiger nehmen als wir sind, wir sollten uns aber auch nicht kleiner machen als wir sind. (...) Wir brauchen eine Außenpolitik ohne Zähnefletschen und Tschingdarassabum, aber auch ohne Verkrampfungen.“ (Rede vor der deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik am 13. März 1995)

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