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Noch ist der Tunnel nicht gebaut

Der Senat dementiert Bonner Sparpläne für die Tunnelbauten am Potsdamer Platz / Bündnis 90/Grüne fordern ein Baumoratorium im Hinblick auf rot-grüne Koalitionsverhandlungen  ■ Von Hannes Koch

Die Debatte um den Bau der Straßen- und Eisenbahntunnel unter dem Potsdamer Platz hat neue Nahrung erhalten. Gestern dementierte die Senatsverkehrsverwaltung Pressemeldungen vom Wochenende, denen zufolge die Bonner Finanzierung für die Tunnel in Gefahr sei. Das Bundesfinanzministerium habe versichert, die Streichung konkreter Projekte im neuen Berliner Regierungsviertel sei nicht beabsichtigt, erklärte Thomas Spahn, Sprecher des Verkehrssenators.

Welche Verkehrsprojekte von Einsparungen betroffen sein werden, will die Bundesregierung bei ihrer Kabinettssitzung am kommenden Mittwoch klären. Dem Haushalt von Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann drohen für das Jahr 1996 Kürzungen von 5,4 Milliarden Mark. Die Deutsche Bahn AG befürchtet jetzt, daß die Sparmaßnahmen auch auf ihre Investitionen durchschlagen. Allein für den neuen Berliner Zentralbahnhof und die Nord-Süd-Verbindung der Bahn unter dem Potsdamer Platz sind bislang 3,5 Milliarden eingeplant. Dazu kommen noch 350 Millionen Mark, die Bonn für die Finanzierung des umstrittenen Straßentunnels zur Verfügung stellen soll.

Doch nicht nur wegen Geldschwierigkeiten ist der Bau der Tunnel unsicher. Michael Cramer, Berliner Verkehrsexperte von Bündnis 90/Die Grünen, fordert Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) auf, bis zur Abgeordnetenhauswahl am 22. Oktober „keine Fakten zu schaffen“. Die Grünen lehnen den Straßentunnel der B 96 nach wie vor ab und wollen ihn in den möglichen Koalitionsverhandlungen mit der SPD kippen. Um sich diese Möglichkeit zu erhalten, warnt Cramer, vor der Wahl mit den Bauarbeiten zu beginnen: „Wer das Projekt vorher festklopft, erteilt Rot-Grün eine Absage.“

Demgegenüber erklärt Peter Stadtmüller, Sprecher der SPD- Fraktion im Abgeordnetenhaus, den Tunnel zum „Essential“. Die unterirdische Straße sei ein unverzichtbarer Teil der gesamten Verkehrsplanung im Bezirk Mitte und werde auf jeden Fall gebaut. Versöhnlicher klingt die SPD-Politikerin Käthe Zillbach, verkehrspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Zwar lehne sie das grüne Junktim zwischen Baustopp und Koalitionsverhandlungen ab, doch könne sie sich auch eine Situation „ohne Tunnel“ vorstellen.

Gleichwohl wird es immer schwieriger, das schon weit fortgeschrittene Tunnelprojekt im Tiergarten noch aufzuhalten. Schon jetzt sind vorbereitende Maßnahmen im Gange. So stützt die Daimler-Benz-Tochter Debis ihr Weinhaus Huth am Potsdamer Platz ab, damit es bei der zukünftigen Buddelei nicht in sich zusammenfällt. Zu vermuten ist weiterhin, daß bereits heute die unterirdischen Tunnelstutzen angelegt werden, die die Straßenröhre mit den Untergeschossen der Debis-Geschäftshäuser verbinden. Durch diese Verbindungsstraßen unter Tage will man später den gesamten Zulieferverkehr per LKW abwickeln. Sollten diese Arbeiten heute noch nicht im Gange sein, werden sie auf jedem Fall „vor dem 22. Oktober einsetzen“, sagt Hans-Christian Maaß, Sprecher der Debis. Schließlich gebe es dafür einen „amtlich genehmigten Bebauungsplan“.

Jeder Kubikmeter ausgehobenes Erdreich und jeder Quadratmeter frischgegossener Beton schaffen Fakten und kosten Geld. Falls sich die rot-grünen UnterhändlerInnen nach einer gewonnenen Wahl tatsächlich auf den Tunnelverzicht einigen sollten, wird die Debis deshalb möglicherweise eine finanzielle Entschädigung für umsonst geleistete Arbeit verlangen – eine Aussicht, die die Bereitschaft der SPD zum Rückzug nicht gerade erhöhen dürfte.

Eine weitere Schwierigkeit stellt die enge Verzahnung der Planung für Straßen- und Eisenbahntunnel dar. Unter dem Spreebogen verlaufen die Tunnelröhren zum Beispiel mit geringem Abstand parallel. Würde man auf den Straßentunnel verzichten, müßten möglicherweise auch die Pläne für die Bahnröhren neu berechnet werden. Planfeststellungsbeschluß und offizieller Baubeginn, mit denen für den Herbst gerechnet wird, könnten sich verzögern und damit die gesamte Berliner Eisenbahnplanung ins Trudeln bringen. Indem sie dies durchsetzen wollen, haben sich Bündnis 90/Die Grünen ein hartes Stück Arbeit vorgenommen.

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