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Wohin nun mit der Müller-Milch?

Bei der Allgäuer Großmolkerei dreht sich das Personalkarussell / Geschäftsführer muß gehen / Bis zum Hals im Milchsee aus Sachsen / Probleme bei der Einführung neuer Marken  ■ Aus Aretsried Klaus Wittmann

Die riesige Milchmenge der Aretsrieder Großmolkerei Alois Müller GmbH & Co. KG, kurz Müller-Milch, macht der Firma zu schaffen. Jüngstes Opfer der Absatzkrise ist der langjährige Geschäftsführer und Müller-Intimus Gerhard Schützner.

Ein Rundschreiben an die Kunden ließ die Branche dieser Tage aufhorchen. Darin teilte Deutschlands erfolgreichster Molkereimeister, Theobald Müller, mit, daß Schützner zum Jahresende ausscheiden wird. Schon ab Juli wird er seine aktive Tätigkeit für die Molkerei ruhen lassen, obwohl sein Nachfolger, Franz Josef Doll (bislang Hochland-Gruppe Heimenkirch), erst Anfang 1996 seinen neuen Posten übernehmen wird.

„Dem steht der gigantische Milchsee, den er sich in Ostdeutschland dazugekauft hat, bis zum Hals“, heißt es in der Branche. Seit der Übernahme der einstigen Südmilch-Sachsenmilch-Fabrik in Leppersdorf hat sich Müllers Milchmenge vervierfacht. Während im Stammwerk in Aretsried im Allgäu zwischen 200 und 250 Millionen Kilogramm jährlich verarbeitet werden, hat die Molkerei in Sachsen rund 750 Millionen Kilogramm gebunden.

Doch mit dem Absatz läuft es nicht so wie geplant. Insider sehen darin auch den Grund für das Revirement an der Konzernspitze. Schützner war dem Vernehmen nach mit dem Kauf der Sachsenmilch nie richtig einverstanden. Doch er ist nicht allein von der Umstrukturierung im Management betroffen. Nach dem technischen Geschäftsführer hat schon vor gut einem Jahr auch der einstige Pressechef seinen Posten geräumt. Ebenso gehen mußte Marketingleiter Edwin Hägele.

Bei einem mit 1,3 Milliarden Mark recht hohen Gesamtumsatz muß sich Müller dennoch mit einer ganzen Serie von Problemen herumschlagen. Lief beispielsweise zunächst das Geschäft mit dem Milchverkauf nach Italien noch ausgesprochen gut, so ist Müller inzwischen voll vom Verfall der Lira betroffen. Wöchentlich hat Müller nach Informationen von Branchenkennern rund 3.000.000 Kilogramm Milch nach Italien geliefert, das sind etwa 100 bis 150 Milchtransporter, doch jetzt werden den Italienern die Milchimporte zu teuer.

Hinzu kommen Absatzprobleme bei den Stammarken. Fruchtjoghurt und Milchreis sollen in jüngster Zeit schlechter gelaufen sein. Und bei der Einführung neuer Marken, wie zum Beispiel der Zweitmarke „Müller jeden Tag“, bekam der Milchbaron aus Bayern kräftigen Gegenwind vom Handel zu spüren. Man läßt den Aretsrieder merken, daß er seine „Premiummarken“ mit einer aggressiven Endverbraucherwerbung immer wieder in die Regale des Einzelhandels gedrückt hat.

Auch bei der Einführung des billigen „Netto-Netto-Sortiments“ weht Müller ein steifer Gegenwind ins Gesicht. Vielfach gab es die rote Karte der Einkäufer für den Versuch, andere Markenartikler zu unterbieten. Doch ohne neue Zweitmarke und ohne Billigsortiment läßt sich die enorme Milchmenge von fast einer Milliarde Kilogramm Milch nicht an den Mann oder die Frau bringen. Der Markt für teure Spitzenprodukte gilt bereits als weitgehend gesättigt. Ob sich Müllers Vorhaben bewährt, in Sachsen kräftig auf die Käseproduktion zu setzen, bleibt abzuwarten.

Katerstimmung herrscht bei den Mitarbeitern im Stammwerk Aretsried bei Augsburg. Schließlich sollen Teile der dortigen Produktion nach Sachsen verlagert werden. Müller hatte angekündigt, daß Leppersdorf mit ausgesprochen günstigen Rohstoff- und Produktionskosten arbeiten werde.

Große Hoffnungen setzt die Molkerei auf das Auslandsgeschäft. In England hat Müller- Milch nach acht Jahren am Markt im Joghurtgeschäft eine Spitzenstellung erobert. Mit 33 Produkten erwirtschaftet Müller in England 125 Millionen englische Pfund (275 Millionen Mark) Jahresumsatz. Ziel in England ist es, künftig jährlich drei Milliarden Becher Joghurt abzusetzen.

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